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Micha H. Werner (1994):

Dimensionen der Verantwortung:

Ein Werkstattbericht zur Zukunftsethik von Hans Jonas

Überarbeitete Fassung. Originalversion erschienen in: Böhler, Dietrich (Hg.) (1994): Ethik für die Zukunft: Im Diskurs mit Hans Jonas. München: C. H. Beck, S. 303-338.






Inhalt








Zum AnfangI. Einige Differenzierungen im Begriff »Verantwortung«


Eine Ethik der Verantwortung, die selbst verantwortlich ist, beginnt jedenfalls, bevor sie die Verantwortung als Prinzip anerkennt, mit einer Begriffsklärung.(1)

Der Begriff `Verantwortung´ wird keineswegs immer in klarer und einheitlicher Weise verwandt. Das gilt nicht nur für seinen umgangssprachlichen Gebrauch, sondern ebenso für gesellschaftswissenschaftliche, psychologische und moralphilosophische Fachdiskurse. Auch existiert bislang kein allgemein anerkanntes systematisches Konzept, in das die verschiedenen Verantwortungsbegriffe eingeordnet werden könnten. Während nun Einige - wie Otfried Höffe, Hans Lenk und Günter Ropohl - große Mühe darauf wenden, diesen Mangel zu beseitigen,2 halten das Andere für ebenso aussichts- wie sinnlos. So meint Jann Holl: "Alle Systematisierungsversuche und Festlegungen scheinen zum Scheitern verurteilt zu sein, wirken deshalb extrem künstlich und verfehlen am Ende den Tatbestand"3. Dieser Auffassung möchte ich jedoch widersprechen. Einige grundlegende und allgemein verbindliche Differenzierungen scheinen mir unerläßlich.

Ich möchte im folgenden insbesondere unterscheiden zwischen `kausaler´ und `personaler´ (M. J. Zimmerman), sowie zwischen `normativer´ und `empirischer´ Verantwortung (H. Lenk). Eine weitere Aufschlüsselung innerhalb des Bereichs der normativ-personalen Verantwortung sollte sich meines Erachtens an Günther Ropohls vorsichtigen `Matrix-Modell´ orientieren. Der unter anderem darin vorkommenden Unterscheidung zwischen `prospektiver´ und `retrospektiver´ Verantwortung soll wegen der damit nicht selten verbundenen Mißverständnisse besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Kausale Verantwortung bezeichnet im Grunde nichts anderes als ein Kausalitätsverhältnis: "Jemand mag beispielsweise sagen, daß der Kurzschluß für das Feuer verantwortlich war. Normalerweise bedeutet das schlicht, daß der Kurzschluß das Feuer verursacht hat. Kausale Verantwortung ist das Verhältnis, das zwischen einem Ereignis und einem anderen besteht, wenn das frühere das spätere verursacht oder mitverursacht."4 Meiner Meinung nach sollte man hier allerdings aus etymologischen Gründen eher von einer `Quasi-Verantwortung´ sprechen. Der Kurzschluß selbst kann sich nicht `verantworten´, weil er nicht antworten, nicht Rede stehen kann; möglicherweise kann es hingegen der Elektriker, der die Kabel schlecht isoliert hat. Er war für die Verhinderung des Kurzschlusses `verantwortlich´ und könnte möglicherweise nun zur Verantwortung `gezogen werden´.

Damit sind wir bei der Verantwortung im engeren Sinne. Sie kann mit Zimmerman als personale Verantwortung bezeichnet werden, weil sie sich im Gegensatz zur kausalen Quasiverantwortung nur Subjekten zuschreiben läßt, die zu selbstbestimmtem Handeln fähig sind.5 Sie einer Person x zuzurechnen, ist nur möglich, wenn diese erstens den Verantwortungsbereich y kausal beeinflußt hat, hätte beeinflussen können oder beeinflussen kann, und zweitens ihr Einfluß nicht wiederum selbst zur Gänze durch externe Bedingungen determiniert, sondern in gewissem Maße in einer freien Entscheidung für ein Tun oder Unterlassen begründet war oder ist.

Während die Zuschreibung kausaler Verantwortung - ihrem Anspruch nach! - eine rein empirische Feststellung über einen Sachverhalt in der objektiven Welt darstellt, kann die Zurechnung personaler Verantwortung (nach H. Lenk und M. Maring) sowohl eine empirische, als auch eine normative Bedeutung haben.6

Die empirisch-personale Verantwortung läßt sich nach dem Muster der kausalen Quasiverantwortung als zweistellige Relation begreifen: Eine Person x verursacht - als Person, das heißt aufgrund einer bewußten Willensentscheidung - das Ereignis y. Das schwierige Problem, inwiefern konkrete Urteile dieser Form von impliziten normativen Annahmen frei sein können, muß hier unerörtert bleiben; es jedenfalls festzustellen, daß tatsächlich Aussagen in diesem Sinne gemacht werden.

Ohnehin steht diese empirisch-personale `Kausalhandlungsverantwortung´ (H. Lenk) nicht im Zentrum des normativ-ethischen Diskurses. Für den Stellenwert, den der Verantwortungsbegriff sich dort erobert hat, ist ja gerade seine Verknüpfung mit normativen Standards maßgeblich. Ropohl erkennt überhaupt nur den normativen Verantwortungsbegriff an. Er meint, daß man "von Verantwortung nicht sinnvoll reden kann, ohne einen normativen Bezug anzugeben, weswegen Handlungen und Handlungsfolgen zu verantworten sind"7.

Die normativ-personale Verantwortung läßt sich nun jedenfalls nicht mehr, wie Bochenski noch erwogen hatte,8 als bloß zweistellige Beziehung begreifen. Für Walther Zimmerli wie für viele andere ist sie eine "mindestens dreistellige Relation: Jemand (Verantwortungssubjekt) ist für etwas [...] (Verantwortungsbereich) einer anderen Person oder Instanz gegenüber verantwortlich"9.

Höffe bezeichnet dagegen Verantwortung 1989 als eine "mindestens vierstellige Relation"10; für Lenk umschreibt sie "einen mindestens fünfstelligen [...] Beziehungsbegriff"11; und Ropohl konstruiert Verantwortung gar als sechsstellige Relation.12

Wie dem auch sei, unbedingt fundamental für die normativ-personale Verantwortung scheint das Hinzutreten einer Verantwortungsinstanz zu sein. Wenn etwa Ropohl weitere, über die drei klassischen Relationen (Subjekt x, Gegenstand y, Instanz z) hinausgehende Bestimmungen anbietet, dann geschieht dies zum Zweck der Analyse der vielfältigen real vorfindbaren normativ-personalen Verantwortungstypen. Außer danach, `wer´ `was´ `wovor´ zu verantworten hat, fragt Ropohl noch (etwas mißverständlich) nach dem `wofür´ (gemeint ist: der Voraussehbarkeit der Folgen); dem `Weswegen´ (welcherart normative Standards liegen einem Verantwortungsverhältnis zugrunde?); nach dem `Wann´ (hierauf komme ich noch zu sprechen) und nach dem `Wie´ der Verantwortung.13 Ropohl läßt offen, ob nicht noch weitere Kriterien berücksichtigt werden sollten. In Bezug auf die Zahl unterschiedlicher Antwortmöglichkeiten, die zu jeder Einzelfrage bestehen, will er sich ebenfalls nicht festlegen; nur zu Illustrationszwecken hat er in seinem Schaubild jeweils drei verschiedene Antwortmöglichkeiten vorgezeichnet.

Mir scheint Ropohls Matrix-Modell der sinnvollste Vorschlag zur Systematisierung der verschiedenen Typen normativ-personaler Verantwortungsverhältnisse. Es verbindet Flexibilität mit Präzision und Übersichtlichkeit und ist daher auf jeden Fall Versuchen vorzuziehen, eine vollständige Auflistung von einzeln definierten komplexen Verantwortungstypen (die jeweils aus einer Kombination bestimmter Antwortmöglichkeiten auf die Ropohlschen Fragen bestehen) zu erarbeiten.14

Ich will nun noch besonders auf das Problem des Zeitbezugs der Verantwortung zu sprechen kommen. Denn derart verbreitete und folgenreiche Mißverständnisse wie in Bezug auf das `Wann´, gibt es wohl an keiner anderen Stelle der Diskussion um Verantwortung. Insbesondere wird die Unterscheidung zwischen prospektiver (zukunftsbezogener) und retrospektiver (vergangenheitsbezogener) Verantwortung15 immer wieder nebulös oder schlicht falsch definiert.

Die wohl klarste (und nebenbei auch geistreichste) Verdeutlichung dieser Unterscheidung stammt von Zimmerman. Retrospektive Verantwortung sei beispielsweise in der Aussage gemeint: "der Bademeister ist verantwortlich für den Tod des Schwimmers"; prospektive Verantwortung dagegen in dem Satz: "der Bademeister ist verantwortlich für das Leben des Schwimmers".

Zu behaupten, x sei retrospektiv verantwortlich für y, bedeutet offensichtlich, daß x (ein Handlungssubjekt) sich für y (ein Tun oder Unterlassen, oder dessen Folgen) zu rechtfertigen hat (gegenüber einer Instanz z). Prospektive Verantwortung bezieht sich dagegen nicht auf Vergangenes, zu rechtfertigende Handlungen oder deren Folgen, sondern auf Zukünftiges, auf herbeizuführende oder zu verhindernde Zustände in der Welt. Die Aussage, x sei für y prospektiv verantwortlich, besagt nichts anderes, als daß y einen Wirklichkeitsbereich darstellt, in Bezug auf den x gewisse (mehr oder weniger verbindliche, mehr oder weniger genau kodifizierbare) Pflichten zu erfüllen hat, für deren Vernachlässigung oder Verletzung x sich gegebenenfalls (vor z) würde rechtfertigen (d. h.: retrospektiv verantworten) müssen.

Es ist demgemäß schlicht Nonsense, wenn - beispielsweise - Monika Sänger "einen Übergang von der Konzeption der Verursacherverantwortung zu einer Treuhänder- und Heger-Verantwortung [...], einen Übergang von der rückwirkend zuzuschreibenden Ex-post-Verantwortung zu einer prospektiv ausgerichteten Sorge-für-Verantwortung, von der vergangenheitsorientierten Handlungsresultatsverantwortung zu einer zukunftsorientierten, durch Kontrollfähigkeit und Machtverfügbarkeit bestimmten Seins-Verantwortung."16 postuliert.

Sänger unterstellt, daß prospektive Verantwortung mit der retrospektiven konkurrieren, daß diese von jener abgelöst werden könne. Wie sich aus dem Vorherigen ergibt, korrelieren retrospektive und prospektive Verantwortung aber in Wahrheit miteinander, ja sie sind, wie Höffe betont, lediglich zwei Seiten derselben Medaille.17

Übrigens sind Sängers Forderungen eine (nicht kenntlich gemachte) weitgehend wörtliche Übernahme aus Lenks "Sozialphilosophie der Technik".18 Sänger ist allerdings verborgen geblieben, daß Lenk dort nur Hans Jonas' Ansichten paraphrasieren will, bevor er sich, direkt im Anschluß daran, ausdrücklich von ihnen distanziert: "Eigentlich handelt es sich nicht um einen Übergang von der traditionellen Handlungsresultatsverantwortung zur Heger- und Präventionsverantwortung, sondern die traditionelle Verantwortung für Getanes bleibt natürlich weiterhin bestehen [...]. Statt von einem Übergang aus einem Verantwortungstyp zum anderen zu sprechen, sollte man von zwei zugleich zu berücksichtigenden Verantwortungskonzepten sprechen."19

Die allgemeine Verwirrung in Bezug auf diese Tatsache kann notabene durchaus "ideologisch mißbraucht werden"20. Ein Beispiel hierfür ist das bekannte Phänomen, das man die Rhetorik der Verantwortung nennen könnte: Personen in politischen oder wirtschaftlichen Machtpositionen kündigen an, für dies oder jenes (prospektiv) `die volle Verantwortung´ übernehmen zu wollen, ohne doch damit zugleich irgendwelche Rechenschaftspflichten (und eventuell angemessene Sanktionsdrohungen) auf sich zu nehmen, die sie nicht ohnehin schon (etwa auf Grund gesetzlicher Normierung oder institutioneller Konventionen) zu tragen haben - woraus erhellt: Prospektive ohne retrospektive Verantwortung bleibt leer.21

Einer der Gründe für die verbreitete Fehldeutung liegt vielleicht darin, daß oft auch die Grenze zwischen der empirisch- und der normativ-personalen Verantwortung nicht deutlich gezogen wird. Dadurch könnte sich, weil erstere nur in vergangenheitsbezogener Form auftritt, tatsächlich der Eindruck einer Asymmetrie zwischen retrospektiver und prospektiver normativ-personaler Verantwortung aufdrängen.

Zum AnfangII. Verantwortungsethik

Eine andere Ursache könnte darin zu suchen sein, daß nicht sauber zwischen den elementaren Verantwortungsbegriffen und den darauf gründenden komplexen ethischen Modellen unterschieden wird.22 Beispielsweise wird manchmal so getan, als ob Jonas' Zukunftsethik die prospektive, die `traditionelle´ Ethik dagegen die `retrospektive´ Verantwortung zur Geltung brächte. Wogegen doch nun klar sein muß, daß alle Konzeptionen normativer Ethik denjenigen Bereich bestimmen müssen, für den Personen moralisch verantwortlich - und damit immer sowohl prospektiv wie (potentiell) retrospektiv verantwortlich! - sind.23

Ja, in diesem Sinne kommen auch reine `Gesinnungsethiken´ nicht ohne Verantwortung aus. Max Weber war sich darüber vollkommen im Klaren: Keineswegs sei "Gesinnungsethik mit Verantwortungslosigkeit und Verantwortungsethik mit Gesinnungslosigkeit identisch."24 Die beiden Ethiktypen unterscheiden sich nach Weber nur darin, daß in ihnen der Verantwortungsbereich - in Webers Worten dasjenige, wofür ein moralisches Subjekt "aufzukommen hat" - auf verschiedene Weise definiert wird. Im Falle der Verantwortungsethik sind das "die (voraussehbaren)25 Folgen" des Handelns. (Weber sagt wohlgemerkt nicht, daß es in der Verantwortungsethik ausschließlich auf die Folgen ankomme. Verantwortungsethik ist daher nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit einer rein `konsequenzialistischen´ Erfolgsethik.)

In der Gesinnungsethik wird der Verantwortungsbereich enger gefaßt, nämlich auf die Innerlichkeit der handelnden Person beschränkt. Die Gesinnungethikerin beziehungsweise der Gesinnungsethiker übernimmt Verantwortung "nur dafür, daß die Flamme der reinen Gesinnung [...] nicht erlischt"26 - "die Verantwortung für die Folgen fehlt."27

Mit diesen Bestimmungen ist zunächst die allgemeine Definition von `Verantwortungsethik´ gegeben als einer Ethik, die moralische Normen, beziehungsweise Handlungsmaximen unter Berücksichtigung der erwartbaren Handlungsfolgen zu bestimmen sucht.28

Eine gesteigerte Bedeutung gewinnt die verantwortungsethische Frage nach dem Umfang des Verantwortungsbereichs aber nun durch das "veränderte Wesen menschlichen Handelns"29. Die neuartigen Bedingungen, unter denen moralisches Handeln und ethische Theorie sich heute bewähren müssen, sind oft beschrieben worden. Sie sollen hier nur unsystematisch, stichwortartig und ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit umrissen werden durch den Hinweis auf:

- die durch den Einsatz wissenschaftlicher Technik und Organisation angewachsene und weiter anwachsende menschliche Macht;
- die zunehmende Ausdehnung des Bereichs technischer Beeinflußbarkeit auf immer weitere Teile auch der menschlichen Natur;
- das technisch bedingte Ausbrechen aus einem räumlich und zeitlich überschaubaren Funktionskreis instrumentalen Handelns;
- die zunehmende Komplexität der Folgen- und Nebenwirkungszusammenhänge (z.B. durch Eingreifen in genetische oder ökologische Kontexte);
- die zunehmend zum Normalfall sich entwickelnde Hypothetizität von Handlungswirkungen;
- die immer stärkere Einbindung der arbeitsteilig handelnden Personen in unübersichtliche Handlungsnetze;
- das neue Wissen über die Belastbarkeitsgrenzen der Biosphäre.

Unter diesen Rahmenbedingungen erlangt die Reflexion auf die konkreten (erwartbaren) Handlungsfolgen eine immer größere Bedeutung, da die Gewähr dafür, daß aus guter Gesinnung gleichsam `naturgemäß´ auch gute Folgen erwachsen, immer weniger gegeben ist. Es bedarf also einer Konzeption, welche die "moralische Beschränktheit"30 einer reinen Gesinnungsethik überwindet und die "Kausalbedingungen zwischen der Handlung und ihrem Ergebnis"31 möglichst vollständig berücksichtigt.

Weil sich indes Günther Anders' Postulat: "So wie der Naturwissenschaftler, der die Ursachen verfolgt, ad infinitum nach rückwärts weiterzugehen hat, so hat der Verantwortliche ad infinitum nach vorwärts [zu den Folgen] weiterzugehen"32 niemals vollständig einlösen läßt, muß die verantwortungsethische Konzeption auch der Kluft, zwischen der Reichweite menschlicher Macht und dem nach dem Stand der Wissenschaft jeweils möglichen Prognosewissen selbst in angemessener Weise Rechnung tragen.33

Zum AnfangIII. Das »Prinzip Verantwortung«

Zum AnfangIII.1. Hans Jonas' Begriff von »Verantwortung«

Ein Versuch, den genannten Herausforderungen mit zu begegnen, ist Hans Jonas' 1979 erschienenes `Prinzip Verantwortung´. Jonas unterscheidet hier zwei verschiedene Bedeutungen des Verantwortungsbegriffs: "Verantwortung als kausale Zurechnung vergangener Taten"34 und "Verantwortung für Zu-Tuendes"35.

Erstere dürfte mit dem Begriff der empirisch-personalen `Kausalhandlungs-´ Verantwortung identisch sein. Denn da von `Taten´ die Rede ist, muß es sich offensichtlich um einen personalen Verantwortungsträger handeln. Und weil Jonas betont, diese Art Verantwortung sei zunächst moralisch irrelevant36, ist die Verwendung des Verantwortungsbegriffs empirisch.

Für Jonas ist damit der Bereich der retrospektiven Verantwortung erschöpft. Hier tritt das erste eigentümliche Manko in seiner Analyse des Verantwortungsbegriffs in Erscheinung: Jonas ignoriert offenbar völlig den Aspekt der normativ-personalen retrospektiven Verantwortung, also das, was Höffe Legitimations-, oder Rechtfertigungsverantwortung nennt.

Normativ aufgeladen ist in Jonas' Konzept ausschließlich die prospektive "Verantwortung für Zu-Tuendes". Die Konzeption dieses Verantwortungsbegriffs ist für die gesamte Architektonik der Jonasschen Moralphilosophie von fundamentaler Bedeutung.

Verantwortung für Zu-Tuendes meint: Ein moralisches Subjekt ist für alles (prospektiv) verantwortlich, was einen (`Eigen-´) Wert hat und der Macht dieses Subjekts in irgendeiner Weise ausgeliefert ist: "Das »wofür« [der Verantwortung] liegt außer mir, aber im Wirkungsbereich meiner Macht, auf sie angewiesen oder von ihr bedroht. Ihr setzt es entgegen sein Recht auf Dasein aus dem was es ist oder sein kann, und nimmt durch den sittlichen Willen die Macht in ihre Pflicht [...] Das Abhängige in seinem Eigenwert wird zum Gebietenden, das Mächtige in seiner Ursächlichkeit zum Verpflichteten."37

In diesem Zitat zeigt sich eine weitere für Jonas' Analyse wesentliche `Verkürzung´38 des Verantwortungsbegriffs. Er reduziert die moralische `Verantwortung für Zu-Tuendes´, also die prospektive normativ-personale Verantwortung, auf eine bloß zweistellige Relation zwischen Verantwortungssubjekt und Verantwortungsbereich. Die Instanz der Verantwortung fällt nämlich für ihn mit dem Verantwortungsbereich zusammen39:

"Ich bin verantwortlich mit meiner Tat als solcher (ebenso wie mit ihrer Unterlassung), und das gleichviel, ob da jemand ist, der mich - jetzt oder später - zur Verantwortung zieht. Verantwortung besteht also mit oder ohne Gott, und natürlich erst recht ohne einen irdischen Gerichtshof. Dennoch ist sie, außer für etwas, die Verantwortung vor etwas - einer verpflichtenden Instanz, der Rechenschaft zu geben ist. Diese verpflichtende Instanz, so sagt man wohl, wenn man an keine göttliche mehr glaubt, ist das Gewissen. Aber damit verschiebt man nur die Frage auf die nächste, woher denn das Gewissen seine Kriterien hat, durch welche Quelle seine Entscheide autorisiert sind. [...] Erkunden wir, ob sich vielleicht nicht aus eben dem »Wofür« auch ihr »Wovor« ableiten läßt."40

Brisant wird Jonas' Identifikation von Instanz und Bereich der moralischen Verantwortung durch die weitere These, daß die Fähigkeit eines `Objekts´, die handelnde Person mit Pflichten zu belasten, prinzipiell nicht mit einer Kompetenz dieses Objekts korreliert, ebenfalls Verantwortung wahrzunehmen. Einfacher ausgedrückt: Verantwortung stellt nach Jonas ein "nicht-reziprokes Verhältnis"41 dar. Daher kann sie nicht nur zwischen unterschiedlich `mächtigen´ beziehungsweise hilfsbedürftigen Personen, sondern auch zwischen nicht-personhaften Entitäten und moralischen Subjekten bestehen, wenngleich auch für Jonas die "Verantwortung von Menschen für Menschen" "primär"42 ist. `Urgegenstand´ oder `Archetyp´ des Verantwortungsgegenstandes ist Jonas zufolge `das Kind´ beziehungsweise `der Säugling´43.

Zum AnfangIII.2. Hans Jonas' Entwurf einer Verantwortungsethik

Um das `Prinzip Verantwortung´ richtig einzuschätzen, ist zu berücksichtigen, daß es Jonas zufolge nicht Modell einer allgemeinen Ethik sein soll, sondern nur als Entwurf einer `Ergänzungsethik´, die auf die neuen Probleme des Handelns in der technologischen Zivilisation antwortet, zu verstehen ist.44 Den Status seiner normativ-ethischen Theorie scheint er weiter einschränken zu wollen, wenn er sie als eine Art `Notstandsethik´, als "Minimal-" oder "Vermeidungsethik" bezeichnet, der zeitweilige Priorität zukomme.45 Matthias Kettner ist daher zu widersprechen, wenn er behauptet, Jonas stelle "Verantwortungsbegriffe in den Mittelpunkt der Moraltheorie" und betrachte "andere moraltheoretische Grundbegriffe (wie Pflicht, Recht, Wohlergehen, Glück und Leid, Gerechtigkeit) von diesem Zentralbegriff her oder auf ihn hin."46 Eine "Identifizierung des Ethischen mit dem »Prinzip Verantwortung«"47 ist von Jonas ausdrücklich nicht intendiert. Dies berechtigt allerdings zu der Frage, inwieweit Jonas' Konzept einer `Ergänzungsethik´ mit universelle Gültigkeit beanspruchenden ethischen Konzeptionen kompatibel ist, beziehungsweise inwieweit sie selbst in diese `aufgehoben´ werden kann oder muß (s. u.).

Zum AnfangBegründungsfragen: Intuitionismus und Naturphilosophie

Kompliziert wird die Auseinandersetzung mit dem `Prinzip Verantwortung´ dadurch, daß Jonas in seinem Bemühen um möglichst weitgehende Kohärenz seiner Theorie mit anderen ethischen Konzeptionen48 verschiedene Begründungsstrategien neben- beziehungsweise übereinander verwendet. Vor allem zwei Argumentationspfade sind zu unterscheiden: ein `intuitionistischer´ und ein `naturphilosophisch-metaphysischer´. Daß - ungeachtet ihrer internen Verflochtenheit - die Unterscheidung dieser beiden Begründungspfade gerechtfertigt ist, bestätigen auch die beiden Rezeptionslinien, für die etwa Matthias Raths Intuitionismus und Vittorio Hösles naturphilosophisch-metaphysische Lesart stehen können.49

Indem Jonas das `Wofür´ der moralischen Verantwortung als das von der Macht der handelnden Person "Abhängige in seinem Eigenrecht"50 bestimmt, setzt er die Existenz von `Werten an sich´, die Möglichkeit einer objektivistischen Werttheorie, voraus. Er plädiert für die Anerkennung eines `Eigenwertes´ der gesamten belebten Natur. Als Résumé seiner Argumentation kann der Satz gelten: "Jedes Lebendige ist sein eigener, keiner weiteren Rechtfertigung bedürftiger Zweck, und hierin hat der Mensch nichts vor anderen Lebewesen voraus."51

Zwar lassen sich einige fundamentale Argumente aus dem `Prinzip Verantwortung´ in nichtmetaphysische Argumentationen transformieren. Das gilt etwa für die Aussagen über das strikte Verbot eines kollektiven Selbstmordes der Menschheit.52 Diese Begründungsansätze werden von Jonas jedoch leider nicht ausgeführt.

a) Intuitionismus:
Wenn man nun mit Jonas annimmt, daß es so etwas wie ethisch relevante `Werte an sich´ gibt, könnte man zunächst fragen, ob diese Werte sich nicht vielleicht `an ihnen selbst zeigen´, ob sie nicht durch irgendeine Art sinnlicher Wahrnehmung `unmittelbar´ zu erfahren sind. Wenn das der Fall wäre, hätte Ethik nur die Funktion, auf diese Wahrnehmungsmöglichkeiten hinzuweisen, sie eventuell freizulegen oder zu schulen und dann die adäquate Berücksichtigung der Werte in den Handlungen der moralischen Subjekte einzufordern.

In diesem Sinne intuitionistisch ist das `Säuglings-Beispiel´ zu verstehen. Wenn ich ein schutzloses Neugeborenes sehe, meint Jonas, dann weiß ich intuitiv, ohne lange zu räsonnieren, daß ich für es zu sorgen habe, daß das Neugeborene wertvoll ist: "Sieh hin und du weißt"53. Das Neugeborene ist für Jonas ein Musterfall (wie er sagt ein "ontisches Paradigma"54) für die `unwidersprechlich evidente´ Koinzidenz von Sein und Wert.55

Der Wert der Dinge ist laut `Prinzip Verantwortung´ vor allem dann intuitiv erkennbar, wenn diese als bedrohte wahrgenommen werden: "Wir wissen erst, was auf dem Spiel steht, wenn wir wissen, daß es auf dem Spiel steht"56. Wegen dieses `Negativismus´ ist Jonas' Intuitionismus vor allem auf `Furcht´ bezogen.57

Ist es allerdings sinnvoll, dem beschriebenen Intuitionismus eine kriteriologische (und nicht nur eine motivationale) ethische Rolle zuzuschreiben? Der Einwand liegt auf der Hand, daß `Intuitionen´ der gemeinten Art nicht unabhängig von kulturellen Prägungen und - zumal in pluralistischen Gesellschaften - individuellen Dispositionen bestehen und damit die Gefahr einer unreflektierten Übernahme konventioneller Moralvorstellungen mit sich bringen.58 Empirisch vorfindbare Intuitionen müssen durchaus nicht immer (im normativen Sinne) `moralisch´ sein - es gibt auch `intuitiven´ Ausländerhaß. Abscheuliches Beispiel eines pervertierten `Sieh hin und du weißt´ ist etwa jene Titelseite der rassistischen Zeitschrift `Auf gut deutsch´ von 1929, wo unter dem zu einer grotesken Mongolengrimasse verzerrten Gesicht Bela Kuns zu lesen ist: "Nur schauen, schauen! Mehr tut hier nicht not, um klarzumachen, was auch uns bedroht."59 Zudem ist die menschliche Fähigkeit zur intuitiven Aufbietung `moralischen Gefühls´ nicht nur individuell unterschiedlich, sondern überdies generell begrenzt. Es ist auch aus anthropologischen Gründen mehr als fraglich, ob es heute, angesichts globaler Bedrohungen, überhaupt ein `angemessenes´60 "Verantwortungsgefühl"61 geben kann, ob die durch zeitliche und räumliche Ferne, Hypothetizität, quantitative Enormität und qualitative Fremdheit abstrakt und unsinnlich gewordenen Wirkungen der wissenschaftlich-technischen Zivilisation wieder in eine `Evidenz´ ermöglichende `Unmittelbarkeit´ rückholbar sind.62

Auf der Basis eines kriteriologisch verstandenen Intuitionismus ist Jonas' Argumentation außerdem zirkulär, wo er nach der "Beschaffung der Vorstellung von den Fernwirkungen"63 auch die "Aufbietung des dem Vorgestellten angemessenen Gefühls", primär der Furcht vor künftiger Bedrohung, zur Pflicht machen will. Wenn "so wenig wie die Vorstellung des zu Fürchtenden [...] die Furcht davor" sich von selbst einstellt, taugt der Intuitionismus offenbar nicht als Methode zur `Wertwahrnehmung´, denn um das `angemessene´ Gefühl aufbringen zu können, müßte das moralische Subjekt ja schon über ein Kriterium für die Angemessenheit von Gefühlen verfügen. Genau dieser Maßstab aber sollte doch durch die Intuition selber gegeben oder ersetzt werden - `Sieh hin und du weißt´. Jonas kann also nicht gänzlich auf die Suggestion verzichten, das angemessene Gefühl stelle sich wenigstens teilweise eben doch `von selbst ein´: So interpretiert er die `Aufbietung moralischen Gefühls´ als die "Selbstbereitung zur Bereitschaft, [sic!] sich vom erst gedachten Heil oder Unheil kommender Generationen affizieren zu lassen"64, also sozusagen als eine aktiv herbeizuführende Passivität.

Offenbar kann Jonas' Intuitionismus nicht die entscheidende kriteriologische Rolle einer `Ethik für die technologische Zivilisation´ ausfüllen. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß (unleugbar bestehende) Intuitionen der von Jonas intendierten Art in ethischen Konzeptionen dennoch eine Rolle spielen können. 65

b) naturphilosophisch-metaphysisches Begründungsprogramm:
Der `naturphilosophisch-metaphysischen´ Argumentationsstrategie wird allgemein mehr Beachtung geschenkt als der intuitionistischen. Einen Ausblick auf dieses im Vergleich zum Intuitionismus stark kognitiv geprägte Begründungsmodell gibt Jonas bereits in `Organismus und Freiheit´. Dort heißt es: "Die Philosophie des Geistes schließt die Ethik ein - und durch die Kontinuität des Geistes mit dem Organischen wird die Ethik ein Teil der Philosophie der Natur."66 Durch Naturphilosophie müsse eine objektive Wertordnung der Dinge festgelegt werden, an der verantwortliches Handeln sich orientieren könne.67 `Das Prinzip Verantwortung´ kann nicht zuletzt auch als Versuch gelesen werden, dieses Programm umzusetzen. Nach allgemeinen Erwägungen zum Zweckbegriff argumentiert Jonas für die Thesen, daß Zwecke auch in der außermenschlichen Natur ihren Platz haben68 und daß "Zweckhaftigkeit ein Gut an sich"69 sei. Aus diesen beiden Grundprämissen folgert er dann, daß die außermenschliche (belebte) Natur als `Gut an sich´ ein "Eigenrecht"70 beanspruchen, also moralische Subjekte zur Wahrnehmung von Fürsorgeverantwortung verpflichten könne. Dieser, hier natürlich in Verkürzung dargestellte, Argumentationsgang ist von Philosophinnen und Philosophen (unter Zurückweisung beider Prämissen) vielfach kritisiert worden,71 so daß eine ausführlichere Auseinandersetzung mit den immanenten Problemen eines teleologischen Naturverständnisses und der naturalistischen Aufhebung der Trennung von Sein und Sollen verzichtbar scheint. Schwerer wiegt ohnehin Jonas' eigenes Eingeständnis, daß er das Ziel einer unbestreitbaren Beweisführung nicht erreicht habe. Er könne mit seinem Argument "nicht mehr tun, als vernünftig eine Option begründen, die es mit ihrer inneren Überzeugungskraft dem Nachdenklichen zur Wahl stellt. Besseres habe ich leider nicht zu bieten. Vielleicht wird eine zukünftige Metaphysik es können."72

Jonas konzediert, daß in der Anerkennung der zweiten seiner Grundprämissen (daß Zweckhaftigkeit ein `Wert an sich´ sei) "ein Element einer Urentscheidung" liege, die ein "Anhänger des Nirwana"73 wohl nicht in gleicher Weise treffen werde wie eine von der abendländischen Kultur geprägte Person.74

Wenn Jonas dennoch an dem metaphysischen Begründungsprogramm festhält, dann wohl vor allem deshalb, weil er eine nichtmetaphysische Ethikbegründung für unmöglich zu halten scheint. Schon 1952 äußert er die Ansicht, daß auf der Grundlage eines ateleologischen Naturverständnisses (das letztlich mit `Akosmismus´ gleichbedeutend sei) kein handlungsleitender "nomos"75 möglich sei und noch vierzig Jahre später hält er an der Auffassung fest, daß Ethik "die Metaphysik nötig"76 habe. Zum zweiten scheint aber die von Jonas intendierte Abkehr vom `Anthropozentrismus´ (auf der Legitimationsebene) in der Ethik nur auf der Basis eines monistisch-metaphysischen Seinsverständnisses durchführbar.77

Zum AnfangIII.3. Zur Praxis des »Prinzips Verantwortung«

Ähnlich oft wie auf die Begründungsmängel ist auf die Probleme der gesellschaftlichen Umsetzung des `Prinzips Verantwortung´ hingewiesen worden. Sie lassen sich in drei Bereiche gruppieren, die allerdings eng zusammenhängen: a) Wie läßt sich Jonas' an Fürsorgeverantwortung orientierte `Ergänzungsethik´ mit Postulaten der Gerechtigkeit vereinbaren? b) Wer oder was könnte die Rolle des Subjekts der Fern- und Zukunftsverantwortung wahrnehmen? c) Legt Jonas genügend Wert auf die Demokratieverträglichkeit ihrer Institutionalisierung?

ad a)

Das `Prinzip Verantwortung´ ist keine Gerechtigkeitsethik. So begründet Jonas etwa die Pflicht zur Berücksichtigung der Interessen zukünftiger Generationen (u. U. auf Kosten der derzeit lebenden) keineswegs mit Hilfe der Gerechtigkeitsnorm. Er beruft sich vielmehr auf das materiale Gebot "»Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden«"78, das er als "kategorischen Imperativ" ausweisen will. Die Ansprüche künftiger Generationen sind moralisch nicht dadurch legitimiert, daß und soweit sie gerecht sind, sondern nur indem sie sich mit den Bedingungen der essentiellen und existentiellen Bewahrung einer als selbstzweckhafte `ontologische Idee´79 verstandenen Menschheit decken. In diesem Rahmen können aber gerade mögliche Gerechtigkeitsfragen ungeklärt bleiben.80 Beispielsweise: `Wie große Ungerechtigkeiten dürfen oder müssen derzeit lebenden Menschen zugemutet werden, um künftigen Generationen ein `echt menschliches´ Leben zu sichern?´ Karl-Otto Apel gibt zu bedenken:

"Rein biologisch gesehen könnte das Überleben der Menschheit in der gegenwärtigen Situation [...] dadurch gewährleistet werden, daß Teile der Erdbevölkerung, z. B. in der Dritten Welt, verhungern. Eine solche, sozialdarwinistische Lösung im Sinne des Gesundschrumpfens der Menschheit soll ja der Ökonomie-Nobelpreisträger Friedrich von Hayek als akzeptabel bezeichnet haben."81

Man muß Apel darin recht geben, daß mit der Jonasschen Konzeption eine derartige zynische `Lösung´ der globalen Probleme nicht unvereinbar ist.82 Das heißt natürlich nicht - und Apel will dies auch "nicht einen Augenblick lang"83 unterstellen - daß Jonas für diese Option votieren wollte. Jonas' `Ergänzungsethik´ bleibt jedoch insofern unbefriedigend, als sie den Fall, daß die aus ihr folgenden Maximen mit Gerechtigkeitspostulaten kollidieren, unberücksichtigt läßt und für ihn keine Entscheidungskriterien an die Hand gibt.

ad b)

Eine weitere Frage, die sich im Anschluß an Jonas' Forderung nach der Wahrnehmung von Verantwortung für die Fernwirkungen kollektiven Tuns aufdrängt, läßt sich mit Georg Büchners Danton formulieren: "Oh, es versteht sich alles von selbst. Wer soll denn all die schönen Dinge ins Werk setzen?"84 Es ist die Frage nach dem Subjekt, der Institutionalisierung der Verantwortung. Zwar befaßt sich Jonas im `Prinzip Verantwortung´ mit der Frage, in welchem der beiden (1979 noch) konkurrierenden Gesellschaftssysteme die Zukunftsverantwortung besser zu implementieren wäre. Auf die Frage, an welches politisch-moralische Subjekt sich seine Ethik primär richtet, gibt Jonas dennoch keine klare Antwort. Das findet in verschiedenen Rezeptionsweisen seinen Ausdruck.85

- Die `individualistisch-anarchistische´ Lesart: Hans Sahl meint, das `Prinzip Verantwortung´ durch den Satz paraphrasieren zu können: "Jeder einzelne ist verantwortlich für die Welt in jedem Augenblick"86. Gegen eine solche Konzeption des Verantwortungssubjekts und der Distribution moralischer Verantwortung, die übrigens manchmal auch der Diskursethik unterstellt wird, sind vielfach Einwände erhoben worden. Abzuweisen sind diese Einwände sicherlich, sofern sie nur der Verteidigung einer konventionellen, an `Üblichkeiten´ orientierten (Institutionen-) Moral dienen, die von den neuartigen ethischen Problemen zweifellos "hoffnungslos überfordert ist". Ähnlich unzweifelhaft ist aber, daß eine moralische Verantwortung, die `jede und jeder´ für `alles´ trägt und die nicht als Mitverantwortung spezifiziert und institutionalisiert werden kann, keine praktikable Alternative darstellt. Sie müßte entweder folgenlos bleiben, oder, wenn wirklich alle ihre Universalverantwortung direkt wahrzunehmen versuchen, zu anarchistischen oder vielmehr chaotischen Verhältnissen führen. Aber eine universale Verantwortungsethik impliziert nicht notwendig eine unmittelbare und institutionalisierungsfreie Verantwortungsübernahme. Und Jonas läßt denn auch keinen Zweifel daran, daß er Institutionen, für nötig hält, um "[d]ie gesuchte »Macht über die Macht«"87 zu organisieren.88

- Die `autoritär-elitäre´ Option: Häufiger als das `individualistisch-anarchistische´ Moment wird im `Prinzip Verantwortung´ eine `autoritär-elitäre´ Tendenz diagnostiziert und kritisiert.89 Kettner meint: "Nicht alle Menschen, sondern nur die Mitglieder internationaler Machteliten sollten oder könnten die Lehren der Jonasschen Verantwortungsethik aktiv in ihr Handeln übernehmen; nicht alle, sondern nur einige sind Adressaten der Verantwortungsethik."90

Jonas orientiere sich an dem "ebenso erhabenen wie lächerlichen Intellektuellenwunschtraum der Philosophenkönige"91. Jonas hat sich freilich "immer dagegen gewehrt", daß der politische Teil seiner Ethik als "eine Empfehlung der Diktatur gegenüber der Demokratie"92 zu verstehen sei. Er habe Vorzüge autoritärer Regierungsformen nur "erwogen"93 ohne ein affirmatives Urteil abzugeben. Wer das Gegenteil belegen will, trägt zumindest eine schwere Beweislast.

Kettners Versuch, Jonas' politische Erwägungen geltungskritisch zu widerlegen, greift jedenfalls zunächst noch etwas zu kurz: "Visionen wie die einer Art Verantwortungsmafia für die Zukunft der Menschheit, oder einer Öko-Tyrannis, wären freilich unvereinbar mit dem philosophischen Begründungsanspruch, den Jonas für die Verantwortungsethik erhebt: überzeugen soll sie nämlich alle des Nachdenkens fähigen Menschen - auch wenn den Lehren der Verantwortungsethik zufolge nur wenige dazu auserwählt sind, sie in die Tat umzusetzen."94

Ist es denn durchaus undenkbar, daß alle vernünftigen Individuen der Ansicht zustimmen könnten, unter bestimmten dramatischen Bedingungen dürften demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten - zeitweilig und einzig zum Zweck der langfristigen Sicherung ihrer Möglichkeit! - außer Kraft gesetzt werden? Sonst könnte Jonas nämlich durchaus am regulativen Prinzip, einen argumentativen Konsens (a) zu suchen, festhalten, wenn er dafür plädiert, daß dem faktischen Konsens (b) mitunter nicht Rechnung zu tragen sei.

Es fehlt bei Jonas allerdings der Erweis, daß jenes regulative Prinzip letztverbindlich ist - auf der Basis seiner teleologischen Ethikkonzeption er nicht durchführbar. Infolgedessen bleiben Jonas' `Erwägungen´ bezüglich der politischen Institutionalisierung der Zukunftsverantwortung kritikwürdig. Wie Koschut feststellt, ist das in Jonas' kategorischem Imperativ festgelegte "Leitziel der Überlebenssicherung der Menschheit" gegenüber der "Frage, ob die rechtlich-politische Gewährleistung" von Demokratie und Freiheit "bei seiner Umsetzung gewährleistet ist oder nicht" "prinzipiell vorrangig"95. Das gilt mindestens solange, bis geklärt ist, was unter `echtem menschlichem Leben´ zu verstehen wäre.96 Zwar mag es legitim sein, zu fragen, ob nicht unter bestimmten Bedingungen - den Extrembedingungen akuter existentieller Bedrohung der Biosphäre - eine zeitweilige Suspendierung demokratischer Freiheiten erlaubt sein könnte. Aber es ist nichts weniger als gleichgültig, `wer über den Ausnahmezustand entscheidet´ und nach welchen Kriterien die Entscheidung über die jeweils hinnehmbaren konkreten Maßnahmen getroffen werden soll. Jonas' Erörterungen bleiben hier auf eine angesichts der Brisanz des Problems bedenkliche Weise vage. Die Einschränkung des Geltungsanspruchs seiner Konzeption im Sinne einer `Notstandsethik´, die traditionelle Ethiken nur `ergänzen´ solle, ändert daran nichts. Sie verschiebt nur die Fragestellung auf Kriterien der Entscheidung zwischen den miteinander konkurrierenden Ethiken. Jonas' `kategorischer Imperativ´ kann übrigens schwerlich noch als `kategorischer´ gelten, wenn er, sei es nach Maßgabe `praktischer Urteilskraft´, sei es durch eine übergreifende ethische Konzeption (wie etwa der Diskursethik), mit den Prinzipien der Gerechtigkeit und Demokratie erst noch vermittelt werden muß.

Letztlich hängt das Problem der `elitär-autoritären´ Option im `Prinzip Verantwortung´, der Mangel an Konkretheit, mit der erwähnten Identifizierung von Instanz und Bereich der Verantwortung zusammen.97 Wenn von `strukturkonservativer´ Seite (etwa konventioneller Institutionenethiken) die naturphilosophische Deutung der Verantwortungsinstanz in Jonas' Konzeption wegen des damit verbundenen Universalismus der "von der Natur instituierten"98 (und also nicht "in den Bedürfnissen der Gesellschaft" begründeten) Verantwortung kritikwürdig erscheinen mag, so erscheint jene `Verkürzung´ aus `liberalistischer´ Sicht (postkonventioneller Aufklärungsethiken wie etwa der Diskursethik) kritikwürdig wegen der mit ihr verbundenen monologischen Begründung der Verantwortung aus `objektiven Werten´ (also, wie Jonas selbst sagt, nicht aus "der Autonomie des Selbst"99 oder den Strukturen vernünftiger Kommunikation) und der dadurch möglichen Entlastung der Entscheidungsträger vom Druck der Legitimation durch diskursive Verfahren (idealiter: einem Diskurs der unbegrenzten Kommunikationsgemeinschaft) beziehungsweise vor durch derartige Verfahren ihrerseits zu legitimierenden Institutionen demokratischer Partizipation.

Möglicherweise besteht, nebenbei bemerkt, ein Zusammenhang zwischen der Dualität der Begründungsansätze und der Polarität der politischen Optionen. Denn eine naturphilosophisch fundierte Ethik schließt die Voraussetzung eines Erkenntnisprivilegs von Fachleuten, eben den Naturphilosophen, (in Bezug auf `Wertwissen´) in sich, was für den Intuitionismus nicht notwendig der Fall ist.100

Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei abschließend betont, daß die beiden `Optionen´ der `Anwendung´ des `Prinzips Verantwortung´ von Jonas niemals als konkrete politische Handlungsempfehlungen ausgearbeitet worden sind; sie sind nur als Spekulationen darüber zu verstehen, welche Arten politischer Umsetzung mit dem theoretischen Kern der Jonasschen Ethik vereinbar wären. Teilweise können sie sich auf gewisse Äußerungen von Jonas stützen, deren theoretischer Status schwach, meist nur der von `Erwägungen´ ist.

Zum AnfangIII.4. Das »Prinzip Verantwortung«: Fazit

Als Fazit der vorigen Überlegungen zu Jonas' ethischem Konzept ergibt sich, daß

1. Sein Entwurf moralischer Verantwortung eine Verkürzung enthält, insofern in ihm Verantwortungsinstanz und Verantwortungsbereich zusammenfallen;

2. diese Verkürzung zu einer objektivistischen Axiologie nötigt, die Jonas auf die Pfeiler einer intuitionistischen und einer naturphilosophisch-metaphysischen Begründungsstrategie zu stützen sucht;

3. diese Begründungsversuche nicht als strikte, allgemeinverbindliche Argumentationen gelten können, wenngleich sie Anhaltspunkte für eine teilweise Transformation in solche Argumentationen bieten;

4. das `Prinzip Verantwortung´ für die bei der Wahrnehmung der prospektiven Verantwortung möglichen Konflikte zwischen dem Prinzip der Menschheitsbewahrung einerseits und den Prinzipien der Gerechtigkeit und der Demokratie andererseits keine Entscheidungskriterien an die Hand geben kann;

5. Jonas' Konzept die wichtigen Fragen der Organisation beziehungsweise Institutionalisierung kollektiver Mitverantwortung nicht hinreichend klärt.

Im folgenden will ich untersuchen, ob die Diskursethik die genannten Probleme überwinden kann und ob sie nicht ihrerseits gegenüber dem `Prinzip Verantwortung´ Schwächen hat und daher der Ergänzung bedarf.

Zum AnfangIV. Die Diskursethik

Zum AnfangIV.1. Dialogische Begründung von »Verantwortung«

Es ist keine überzogene Stilisierung, die Jonassche und die diskursethische Konzeption als `zwei divergierende paradigmatische Antworten auf die Frage nach der Begründung des Phänomens der moralischen Verantwortung´ zu bezeichnen. Jonas zufolge liegt Verantwortung letztlich im Wesen des - intuitiv oder durch naturphilosophische Spekulation als werthaft erwiesenen - Seins begründet. Die Diskursethik dagegen konzipiert Verantwortung, im Sinne intersubjektiv verbindlicher Rechenschafts- und prospektiver Handlungsverpflichtungen, von den prinzipiell unhintergehbaren (transzendentalen) Bedingungen her, die für jede Argumentation (und damit ebenso für jedes monologische, nämlich als privativer Dialog aufzufassende einsame Denken) konstitutiv sind. Nach Jonas besteht die `archetypische´ oder `paradigmatische´ Verantwortungssituation im Verhältnis einer erwachsenen Person zu einem hilfsbedürftigen Kind. Für die Diskursethik ist sie die dialogische Rechtfertigung zwischen mehreren, gleich kompetenten Diskursteilnehmerinnen beziehungsweise -teilnehmern. Jeder Diskursteilnehmerin beziehungsweise jedem Diskursteilnehmer könne der Sinn von und die Pflicht zur Verantwortung unwiderlegbar andemonstriert werden, weil mit ihrer Dialogrolle, mit ihrem Reden über ihr (mögliches oder geschehenes) Handeln, notwendigerweise der Anspruch auf Rechtfertigung verbunden sei - auf gelingende und konsensfähige Rechenschaftslegung. So kann der dialogische Rechtfertigungsaspekt101 mit Karl Löwith folgendermaßen beschrieben werden:

"Einen anderen im wörtlichen Sinn `zur Rede stellend´ stellt man sich selbst dem Angeredeten zur Rede und man bekundet damit bereits seine Verantwortlichkeit, nämlich für das, was man zum anderen gesagt hat. Ansprechend überantwortet der Sprechende nicht einfach seine Worte einem anderen zur selbständigen Aneignung, sondern spricht sie in der Weise aus, daß sie auf ihn zurückkommen können. Entzöge sich ein Sprechender dieser möglichen Rücksprache, so könnte man seine Rede als Anrede überhaupt nicht ernst nehmen und man entzöge sich seiner verantwortungslosen Ansprache. Seine Rede verantworten, bedeutet [...] formal nichts anderes als: über etwas zu einem anderen so reden, daß man der Antwort des Anderen wiederum Rede steht und damit seine eigene Rede vor ihm verantwortet."102

Verantwortung dialogisch zu konzipieren bedeutet indes selbstredend nicht, den Verantwortungsbereich auf Sprechhandlungen zu beschränken. Wenn Handlungen prinzipiell durch ihren Rationalitätsbezug von bloßem Verhalten sich unterscheiden, müssen sie nach diskursethischem Verständnis unter dem Geltungsanspruch normativer Richtigkeit thematisierbar und kritisierbar sein.103 Die jeweiligen Handlungssubjekte müssen daher qua Mitglieder des Diskursuniversums in der Lage sein, ihr Tun oder Unterlassen gegenüber tatsächlichen oder möglichen Einsprüchen Anderer zu rechtfertigen.

Eine `dialogische´ Interpretation von Verantwortung wird bereits durch die Etymologie des Begriffs nahegelegt. Im ursprünglichen `Rechtskontext´ des Wortes `Verantwortung´ war allerdings zunächst nur die Untersuchung der Frage, inwieweit die beziehungsweise der Angeklagte Rechtsnormen verletzt hat, als dialogisch, durch die Wechselrede von Anklage und Verteidigung, zu charakterisieren. Die Rechtsnormen selbst waren dagegen nicht kommunikativ, sondern traditional legitimiert. In religiösen Konzeptionen, in denen Verantwortung primär als eine vor Gott konzipiert wurde, mußte der dialogische Sinn von Verantwortung (zwar bei einem Zugewinn an Universalität) verdeckt werden, weil ein voll reziprokes Dialogverhältnis mit einem als allwissend und allmächtig vorgestellten Gott nicht gedacht werden konnte. Kant, der moralische Pflicht aus der Einstimmigkeit einer letztlich monologisch konzipierten praktischen Vernunft mit sich selbst definiert, kann jenen Sinn ebenfalls nicht unverkürzt erfassen.104 Die Dialogphilosophie vermag ihn wohl zur Geltung zu bringen, bringt jedoch den ethischen Universalismus in Gefahr.105

Erst der Diskursethik gelingt es, eine kommunikative Interpretation des Phänomens Verantwortung mit einer Letztbegründung universeller Grundprinzipien zu vereinbaren, wobei sie zwanglos an Löwiths Gedankengänge hätte anknüpfen können.

Die Diskursethik geht von dem `dialektischen Apriori´ der realen und idealen Kommunikationsgemeinschaft aus. Sie zeigt, daß in jeder realen Gesprächssituation Teilnehmerinnen und Teilnehmer stets an bestimmte "Argumentationsvoraussetzungen" gebunden sind, die teilweise "einen ethischen Gehalt"106 haben und in ihrer Gesamtheit die regulative Idee einer idealen Kommunikationsgemeinschaft definieren. Das bedeutet auch, daß jene Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich wechselseitig die Anerkennung der Regeln dieser `idealen Kommunikationsgemeinschaft´ (iKg) mindestens implizit unterstellen müssen. Diese Unterstellung kann wegen der (u. U. bewußten) uneinholbaren Differenz zwischen realer und idealer Kommunikationsgemeinschaft als `kontrafaktische Antizipation´ bezeichnet werden.

Zum AnfangIV.2. Diskursethik als Verantwortungsethik

Die Einsicht in das dialektische Apriori der Kommunikationsgemeinschaft bildet den Rahmen für die diskursethische Konzeption einer Verantwortungsethik. Aus ihr ergibt sich die Differenzierung in den idealisierenden Begründungsteil A der Ethik und den realitätsbezogenen, abstraktionskompensatorischen Begründungsteil B der Ethik. Allerdings gibt es hier verschiedene Ansätze. Während Jürgen Habermas versucht, das verantwortungsethische Postulat der Berücksichtigung kontextspezifisch erwartbarer Handlungsfolgen in die diskursethische Metanorm `U´ (Universalisierungsprinzip) einzubeziehen, behauptet Apel, daß eine eigene verantwortungsethische Reflexion erforderlich sei. Die Frage der situativen Anwendbarkeit moralischer Normen, die nach Maßgabe des Universalisierungsprinzips eigentlich legitim sind, lasse sich nur anhand eines eigenen, freilich diskursethisch begründbaren, `Ergänzungsprinzips´ entscheiden. Dietrich Böhler hält die Bezeichnung `Ergänzungsprinzip´ für unangemessen und spricht stattdessen von einem regulativ-teleologischen Handlungsprinzip `Ureg-tel´. Kuhlmann hingegen erwägt in seiner Auseinandersetzung mit Jonas eine Ergänzung der Diskursethik durch ein `Prinzip Wohlwollen´, das selbst nicht mehr auf der Basis der Diskursethik begründbar sei. In der folgenden Erörterung der Kontroverse zwischen Apel und Habermas sollen die Vorzüge des Apelschen Modells aufgewiesen werden.107

"Jede gültige Norm" müsse, meint Habermas in seinem Formulierungsvorschlag für `U´, "der Bedingung genügen, [...] daß die Folgen und Nebenwirkungen, die sich aus ihrer allgemeinen Befolgung für die Befriedigung der Interessen jeden Einzelnen (voraussichtlich) ergeben, von allen Betroffenen akzeptiert (und deren Auswirkungen der bekannten alternativen Regelungsmöglichkeit vorgezogen) werden können."108

Diese "diskursethische Fassung des Moralprinzips schließt" nach Habermas bereits "eine gesinnungsethische Verengung des moralischen Urteils aus. Die Berücksichtigung der Folgen und Nebenwirkungen, die sich aus der allgemeinen Anwendung einer strittigen Norm in bestehenden Kontexten ergeben, bedarf keiner zusätzlichen verantwortungsethischen Gesichtspunkte."109

Dies hält Apel jedoch für unrichtig: "Auf der Ebene des argumentativen Diskurses, der [...] in eigentümlicher Weise vom geschichtlich-irreversiblen Handeln des Menschen entlastet ist, kann die von Habermas vorgeschlagene Formel aufgrund ihrer Berücksichtigung der `Folgen und Nebenwirkungen der allgemeinen Befolgung von Normen´ in der Tat als ideales Prinzip einer Verantwortungsethik gelten; nicht so dagegen auf der Ebene der geschichtsbezogenen Anwendung dieses Prinzips. Hier verwandelt sich die Vorstellung der umstandslosen Anwendung vielmehr in die zynische Zumutung einer reinen »Gesinnungsethik« im Sinne von Max Weber."110

Solange eine Anwendungssituation ethischer Normen durch die Tatsache gekennzeichnet sei, daß sie nicht `allgemein´ befolgt würden, solange die Vorherrschaft strategischen Handelns eine zwanglose diskursive Konfliktregelung ausschließe, solange sei Habermas' Universalisierungsprinzip zur Gewinnung praktischer Handlungsmaximen unzureichend. Deshalb stellt Apel dem `Begründungsteil A´ der Diskursethik, in dem es um die Begründung des Universalisierungsprinzips und von Handlungsnormen unter `idealen´ Bedingungen geht, einen `Begründungsteil B´ gegenüber, der die "Ausschöpfung des Universalisierungsprinzips über den Bereich der zur Zeit möglichen Praktizierung konsensueller Interaktion hinaus" gewährleisten soll. In dem Begründungsteil B bleibt das Universalisierungsprinzip gültig, es erhält aber "einen anderen Stellenwert [...] als im Begründungsteil A: Es kann nicht länger als Basis einer schon anwendbaren prozeduralen Grundnorm einer deontischen Ethik unterstellt werden, welche die individuellen Wertungen und Zielsetzungen der Menschen lediglich einschränkt, ohne sie selbst zu präjudizieren. Im Begründungsteil B muß vielmehr das ethische Diskursprinzip selber als ein Wert betrachtet werden, der als Maßstab eines teleologischen Ergänzungsprinzips des Diskursprinzips fungieren kann."111

Dieses `moralisch-strategische´ Ergänzungsprinzip `E´ tritt wiederum gemäß der "dialektischen Konstellation im Apriori der Kommunikationsbedingungen"112 in zwei Momente auseinander: In das `Bewahrungsprinzip´ (der Sorge um den Bestand der realen Kommunikationsgemeinschaft) einerseits und das `Emanzipationsprinzip´ (der Bemühung um die infinite Annäherung an die ideale Kommunikationsgemeinschaft) andererseits.113

Nun räumt auch Habermas ein, daß strikt moralisches Handeln gemäß `U´ unter Umständen `unzumutbar´ sein kann. So spricht er von `existentieller´ Unzumutbarkeit, wenn "die Bedingungen moralischer Selbstachtung mit dem Verhältnis zu sich als Person, die ihrem Lebensentwurf authentisch folgen will, nicht in Einklang gebracht werden"114 können. Vor allem aber stellt er fest: "Im Lichte des Moralprinzips werden Normen nur unter der (in `U´ explizit genannten) Voraussetzung einer Praxis allgemeiner Normbefolgung als gültig ausgezeichnet. Wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, sind Normen ungesehen ihrer Gültigkeit nicht zumutbar."115 Nun ist mit dieser Feststellung für Habermas das moraltheoretische Problem im Grunde bereits erschöpfend behandelt. Denn die Frage der Zumutbarkeit von Normen, die gemäß `U´ legitimierbar sind, fällt für ihn mit der Frage nach der Zumutbarkeit von Moral schlechthin zusammen. Sie sei selbst nicht mehr von der Moralphilosophie zu beantworten. Habermas zufolge gibt es also keine moralischen Kriterien, mittels derer über die situationsbedingte Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit konkreter moralischer Normen entschieden werden könnte. Dieser beunruhigenden Tatsache, daß mit dem Kriterium der `Gültigkeit´ einer universalistischen Ethik das ethisch nicht mehr einholbare Kriterium der `Zumutbarkeit´ konkurrieren kann, versucht Habermas durch den "Übergang von der Moral- zur Rechtstheorie"116 zu begegnen. Indem das Recht durch Strafandrohung die allgemeine Befolgung von Normen sicherstelle, mache es sie für die Individuen allererst zumutbar.117 Inkonsequent ist es freilich, wenn Habermas feststellt, dies sei "ein moralischer Grund für Recht überhaupt."118 Denn wenn die (Un-) Zumutbarkeit von moralischen Normen, wie Habermas nahelegt, selbst nicht mehr einen moralisch beurteilbaren Sachverhalt darstellt, dann ist auch nicht moralisch begründbar, warum für die Zumutbarkeit von Moral Sorge getragen werden sollte. Hier, wie auch an anderen Stellen, wird deutlich, daß Habermas das Apelsche Ergänzungsprinzip (in diesem Fall das Emanzipationsprinzip) implizit selbst beständig in Anspruch nimmt, ohne sich darüber Rechenschaft zu geben.

Gegenüber Habermas versucht Böhler, die Diskursethik durch eine mehrstufige Konzeption verantwortungsethisch auszuschöpfen;119 Böhlers Ausführungen dienen dabei wesentlich der stringenten Durchführung des diesbezüglichen Begründungsprogramms und einer terminologischen Präzisierung, nach der es sich bei "Ureg-tel [...] nicht etwa um die nachträgliche Ergänzung eines Prinzips" handele, "das zuvor für sich genommen evident gewesen wäre, sondern um die notwendige Explikation von U, die sich ergibt, wenn die Teilnehmer der Begründungsreflexion [...] sich in Erinnerung rufen, daß sie bei dieser Reflexion eine starke dialogische Idealisierung vorgenommen haben: davon, daß es in der geschichtlichen Realität Handlungssituationen gibt, die eine Verwirklichung dialogischer Reziprozität unmöglich machen, und ebenso Situationen, in denen die Unterstellung dialogischer Reziprozität nicht zutrifft und »ungerechte« Konsequenzen zu haben pflegt."120

Kann nun die von Apel und Böhler proklamierte transzendentalpragmatisch begründete und mehrstufig als Verantwortungsethik konzipierte Diskursethik den Grundintentionen des Jonasschen `Prinzips Verantwortung´ gerecht werden und gleichzeitig dessen Mängel vermeiden?

Zum AnfangIV.3. Diskursethik contra »Prinzip Verantwortung«

Die Vorzüge der transzendentalpragmatischen Version der Diskursethik sind offensichtlich. Sie entgeht der von Jonas suggerierten Disjunktion von objektiv-metaphysischer Axiologie einerseits und Relativismus andererseits. Ihr Begründungsprogramm setzt im Gegensatz zu Jonas `Prinzip Verantwortung´ nicht eine Grundentscheidung für einen fundamentalen Wert (etwa Zweckhaftigkeit als solche) voraus, sondern setzt bereits an der unhintergehbaren Struktur vernünftiger Verständigung überhaupt an. Wenn sich die Instanz der moralischen Verantwortung dadurch auszeichnen soll, daß sie nicht gewählt werden kann, sondern auch ungeachtet ihrer expliziten Ablehnung implizit immer schon anerkannt ist, dann bietet der diskursethische Ansatz, die Kommunikationsgemeinschaft als Instanz der moralischen Verantwortung einzusetzen, eine überzeugende Antwort.

Jonas entwickelt das zentrale Postulat des `Prinzips Verantwortung´, seinen `kategorischen Imperativ´, in Auseinandersetzung mit Kants Ethik. Diese müsse die Existenz der Menschheit immer schon voraussetzen und könne die Sorge für diese Existenz daher nicht als Pflicht begründen. Von diesem Vorwurf braucht sich die Diskursethik nicht getroffen fühlen. Ihr gelingt es nämlich, Jonas' Gebot als Sorgepflicht für die Fortexistenz der realen Kommunikationsgemeinschaft als einer Bedingung der Möglichkeit der idealen Kommunikationsgemeinschaft zu rekonstruieren (das `Bewahrungsprinzip´ in Apels `E´ beziehungsweise das `Erhaltungsprinzip´ in Böhlers `Ureg-tel´). Indem die Diskursethik das Gebot des Gattungserhalts also nicht zur Basis der ethischen Konzeption macht, sondern es als Pflicht zur Erhaltung jener Strukturen, die eine Annäherung an die Bedingungen eines dialogischen Diskursuniversums ermöglichen, von dem - geltungslogisch beziehungsweise begründungsarchitektonisch - fundamentaleren Diskursprinzip her begründet, kann sie auch die verbindliche Formulierung eines Minimalbegriffs dessen in Angriff nehmen, was bei Jonas hinter dem Begriff des `echten´ menschlichen Lebens unausgeführt oder mindestens vage bleibt. Denn da sie Menschenwürde als kommunikative Freiheit rekonstruieren kann,121 muß sie konsequenterweise gegen alle Versuche der Erhaltung einer bloß biologisch verstandenen `Menschen-´ Gattung ihr Veto erheben, die (durch welche Methoden der Manipulation auch immer) in ein `Jenseits von Freiheit und Würde´ führen würden. Infolgedessen kann die Diskursethik nicht in den mitunter gegen Jonas vorgebrachten Verdacht geraten, die Existenz der Menschheit auf Kosten ihres essentiellen Begriffs retten zu wollen oder eine solche `Rettung´ tendenziell zu rechtfertigen.

Ähnliches gilt für das Problem der Vereinbarkeit von Jonas' kategorischem Imperativ mit Prinzipien der (politischen) Gerechtigkeit und Demokratie. Auch hier gelingt es der Diskursethik, das jenem Imperativ analoge Gebot `Ureg-tel´ beziehungsweise `E´ mit diesen Prinzipien theoretisch zu vereinbaren. Sind diese doch begründet in der Metanorm `U´; und als deren (Ideal- und Realebene vermittelnde) Explikation kann wiederum `Ureg-tel´ beziehungsweise `E´ gelten.

Die von Jonas' (gelegentlich provokativen) `Erwägungen´ einer `Philosophenherrschaft´ oder einer `Ökodiktatur´ intendierte politisch-strategische Maxime ließe sich diskursethisch als eine Art Feuerwehrpflicht rechtfertigen: als Pflicht, die Fortexistenz der realen Kommunikationsgemeinschaft (rKg) als Bedingung der Möglichkeit der idealen Kommunikationsgemeinschaft (iKg) notfalls strategisch auch auf Kosten gewisser in der `rKg´ erreichten Annäherungen an die `iKg´ zu sichern, also auf Kosten prinzipiell legitimer Gerechtigkeits- und Partizipationsansprüche. Dabei wären freilich nur solche strategischen Maßnahmen legitim, die in einem (im Gedankenexperiment zu antizipierenden) idealen, argumentativen Diskurs unter Beteiligung aller von den konkreten Maßnahmen Betroffenen (also auch künftiger Generationen) Billigung finden könnten. Eine solche Konzeption ist augenscheinlich nicht selbstwidersprüchlich, wie Habermas annimmt,122 sondern trägt vielmehr der Tatsache Rechnung, daß "der kontrafaktische Sinn der Akzeptabilität nicht auf den Sinn der Akzeptanz innerhalb einer Interpretationsgemeinschaft reduziert werden" darf, daß andererseits "jede identifizierbare Gemeinschaft" aber "begrenzt" ist, und daher die (unbeschränkte) `iKg´ nur als regulative Idee verstanden werden kann.123

Jonas begründet die universale Verantwortung gegenüber allem lebendigen Sein `monologisch´ aus dessen werthafter Struktur selbst. Sozialität kommt im Begründungsteil des `Prinzips Verantwortung´ nur in der Form des einseitigen elterlichen Fürsorgeverhältnisses gegenüber Unmündigen vor. Das führt dazu, daß das Problem der kollektiven Organisation von (Mit-) Verantwortung als etwas der Ethikbegründung äußerliches, als ein bloßes Problem der (möglichst effizienten) Verwirklichung des zuvor als richtig Erkannten konzipiert werden muß. Demgegenüber haben die "kommunikationstheoretische Deutung der Moral und die diskursethische Fassung des Moralprinzips den Vorzug, einen Individualismus zu vermeiden, der sich unter subjektphilosophischen Prämissen einschleicht."124 Insofern schon die Begründung dessen, was als richtig zu gelten hat, diskursethisch (idealiter) unter Berücksichtigung aller Betroffenen geleistet werden soll, erfordert sie von vornherein `kollektive Mit-Verantwortung´ (für die gemeinschaftliche Suche nach der richtigen Norm) und enthält zugleich (Gerechtigkeits-) Maßstäbe ihrer Organisation beziehungsweise Institutionalisierung. Auch durch die mehrstufige Konzeption wird die Diskursethik nicht wieder in den Stand des Solipsismus zurückgeworfen.125 Die durch `Ureg-tel´ beziehungsweise `E´ begründete Pflicht zur Herstellung oder Bewahrung von Strukturen kollektiver Mitverantwortung kann freilich nur zunehmend mit dem Maß ihrer Erfüllung kollektiv wahrgenommen werden - eine Tautologie, aus der sich schwerlich ein Vorwurf gegen die Ethik gewinnen läßt.

Höchstwahrscheinlich lassen sich mit dieser Konstruktion auch einige theoretische Fragen klären, die sich im Zusammenhang mit der Distribution der Verantwortung für kollektives Tun stellen,126 so etwa die Spannung zwischen Lenks `Strukturmodell´ der Verantwortung, nach welchem, grob gesagt, jedes Mitglied in einer Institution Verantwortung gemäß seinem faktischen Einfluß übernehmen muß, und dem, was Lenk `universalmoralische Verantwortlichkeit´ nennt.127 Die diskursethisch zuschreibbare Mitverantwortung aller Mitglieder der Kommunikationsgemeinschaft für deren Erhaltung und Entwicklung auf die Bedingungen einer iKg hin verpflichtet nämlich sowohl zur Übernahme von Verantwortung innerhalb bestehender Institutionen beziehungsweise Strukturen kollektiven Handelns (insofern diese gerechtes und verantwortliches Handeln gemäß `U´ und `Ureg-tel´ beziehungsweise `E´ durch angemessene Sanktionen und gerechte und effektive Zuteilung von Verantwortungsbereichen zumutbar beziehungsweise möglich machen), als auch zur beständigen Verbesserung dieser Strukturen und Institutionen. Da in diesem Mitverantwortungsmodell Personen zugleich innerhalb von und für Strukturen kollektiven Handelns verantwortlich sind, kann die Diskursethik gleichermaßen die Borniertheit von Institutionenmoralen à la Gehlen, wie auch den abstrakten Moralismus der `Universalverantwortung´ überwinden.

Es fragt sich allerdings, ob die Diskursethik tatsächlich alle Intentionen des `Prinzips Verantwortung´ aufnehmen und konsistent rekonstruieren kann. Und falls dies nicht der Fall sein sollte: Sind die nicht-rekonstruierbaren Intentionen zwingend erforderlich für eine Ethik, die universelle Geltung beansprucht, oder handelt "es sich dabei um etwas bloß Supererogatorisches"128? Diesen Fragen geht Wolfgang Kuhlmann in seinem Aufsatz "`Prinzip Verantwortung´ versus Diskursethik" nach.

Den naturphilosophisch-metaphysischen Begründungsversuch im `Prinzip Verantwortung´ weist Kuhlmann schroff zurück. Er meint aber, daß eine Ethik des Jonasschen Typs "durch eine mißlungene Begründung der vorgeschlagenen Grundnormen noch nicht vollständig entwertet" wird; denn: "Praktische Philosophie [...], die betroffen durch das drohende Übel helfend auf ihre Weise eingreifen will, kann dies auch legitim im Rekurs auf evidente, mit jedermann geteilte Alltagsintuitionen, auf die sie ja vor allen Begründungsversuchen ohnehin angewiesen ist, um überhaupt betroffen werden zu können."

Die bereits in der Darstellung des Jonasschen Intuitionismus zitierte "Grundkonstellation" des `Prinzips Verantwortung´ interpretiert Kuhlmann als "eine spezielle Form des Prinzips »Wohlwollen«" im Sinne Frankenas; nämlich als das "»Prinzip, daß man Gutes tun und Schlechtes vermeiden soll«". William James hat dieses Prinzip in die Form eines ethischen Imperativs gebracht: "Nimm irgendein noch so geringfügiges Verlangen irgendeines noch so schwachen Geschöpfes. Sollte es nicht allein um seiner selbst willen befriedigt werden? Wenn nicht, gib einen Grund dafür an."

Demgegenüber sei das Grundprinzip der Diskursethik das "Prinzip der Gerechtigkeit": "Die vorgesehene Lösung ergibt sich aus gerechter Gleichbehandlung der Ansprüche, ist ein fairer, unparteiischer Ausgleich des Konfliktes, ist Auflösung oder Beseitigung des »praktischen Widerspruchs«". Darüberhinaus aber verpflichte die Diskursethik auch zur "Erhaltung und Bewahrung der Voraussetzungen für eine Gerechtigkeitsethik". Damit nimmt Kuhlmann offensichtlich Bezug auf den `Begründungsteil B´ der Diskursethik, also auf `E´ beziehungsweise `Ureg-tel´. Kuhlmann behauptet, die Diskursethik vermöchte in ihrer verantwortungsethisch explizierten Form "den größten Teil des von Jonas gemeinten abzudecken": "Die Verpflichtung, für die Möglichkeit der Fortexistenz der bedrohten Gattung Mensch zu wirken, sowie die Verpflichtung, umwillen dieser Fortexistenz auch die natürlichen Rahmenbedingungen für menschliche Existenz zu bewahren." Dennoch bleibt nach Kuhlmann ein zunächst von der Diskursethik nicht einzuholender Rest. Von diesem freilich bleibe zu zeigen, daß er überhaupt ethisch relevant sei. Was ist mit jenem `Rest´ gemeint? Offenbar derjenige Bereich von `Verantwortungsobjekten´, die weder unmittelbar als Vernunftwesen eigene Ansprüche erheben können, noch für eine Fortexistenz der Kommunikationsgemeinschaft relevant sind.

Ein Beispiel für das überschießende Moment, das eine dem Prinzip Wohlwollen verpflichtete Ethik gegenüber der Diskursethik beinhalten müßte, wäre demnach etwa das Verbot der Ausrottung von Tierarten. Gemäß dem zitierten Jamesschen Grundsatz wäre sie solange verwerflich, solange sie nicht durch starke Argumente in einer Ausnahmeregelung gerechtfertigt werden könnte. Demgegenüber wäre innerhalb der Diskursethik zunächst nur die Verpflichtung zum Schutz solcher Tier- und Pflanzenarten enthalten, deren Existenz zugleich notwendig für die Existenz der Kommunikationsgemeinschaft ist. Darüberhinaus aber ist es nicht möglich, "aus solchen Prinzipien, die wir alle als Argumentierende notwendigerweise anerkannt haben, [...] zu deduzieren, [...] es dürfe in Zukunft keine Tierart mehr ausgerottet werden [...]"129. Im Unterschied zu denjenigen Vertretern der Diskursethik, die deren Ergänzung durch ein Prinzip Wohlwollen für unnötig halten, will Kuhlmann irgendwie doch "den unübersehbaren [...] Vorteil der Jonasschen Pointe" für die Ethik nutzbar machen, "daß Verantwortung kein reziprokes Verhältnis darstelle, daß also das Bestehen von ethisch relevanten Verhältnissen nicht an das Vorhandensein von bestimmten Vernunftkompetenzen gebunden sei"130.

Es könnte der Eindruck entstehen, daß ein grundsätzliches Dilemma hinsichtlich des Problems des Anthropozentrismus existiert. Einerseits ist der geltungslogische Anthropozentrismus prinzipiell unhintergehbar. Nur als Vernunftsubjekt, als Subjekt vernünftigen und daher auch unter dem Anspruch der moralischen Richtigkeit stehenden Handelns kann jemand etwas als `Wert´ anerkennen oder verwerfen. Das gilt auch für diejenigen, die ein "Eigenrecht der Natur"131 oder die Natur als "Objekt sittlicher Pflichten"132 postulieren wollen. Weist man aber andererseits nach, daß die Rede von einem `Eigenrecht´ der Natur ein leeres Behaupten bleiben muß, weil sie ihre Sinnbedingungen nicht reflektiert, dann hat das unmittelbar zur Folge, daß die gesamte für den Fortbestand der Kommunikationsgemeinschaft irrelevante außermenschliche Natur nur einen "Preis"133 hat, daß ihr Wert "insgesamt nur relativ"134 ist. Und folgt demnach nicht auch, daß Tiere nur als "Sachen" anzusehen sind, "mit denen man nach Belieben schalten und walten kann"135? Jedenfalls ist dann das Prinzip der Güterabwägung nicht mehr zu verstehen als Abwägung zwischen dem Schutz einer als `Wert an sich´ angesehenen Natur und menschlichem Nutzinteresse, sondern nur als Ausgleich zwischen konkurrierenden menschlichen Nutzinteressen. Und hat dann nicht Spaemann recht, wenn er meint: "Solange der Mensch die Natur ausschließlich auf seine Bedürfnisse hin interpretiert und seinen Schutz der Natur an diesem Gesichtspunkt ausrichtet, wird er sukzessive in der Zerstörung fortfahren. Er wird das Problem ständig als ein Problem der Güterabwägung behandeln und jeweils von der Natur nur das übrig lassen, was bei einer solchen Abwägung im Augenblick noch ungeschoren davonkommt. Bei einer solchen Güterabwägung im Detail wird der Anteil der Natur ständig verkürzt."136

Beide Ansichten scheinen zunächst anmaßend zu sein: Spricht man z. B. einer Tier- oder Pflanzenart eine "Eigenwürde"137 zu, macht man sich, hegelsch gesprochen, des `Hochmuts der Demut´ schuldig: In Wahrheit maßt man sich dabei selbst das Amt der Zuteilung von `Eigen-´ Würde an - was prinzipiell einen Selbstwiderspruch impliziert, wenn man `Würde´ im Sinne der kantischen Tradition versteht. Leugnet man aber eine Art `Eigenrecht´ der Natur, dann gibt man scheinbar die gesamte Natur der - nur durch den menschlichen Gattungsegoismus auch wieder zu beschränkenden - Vernutzung für menschliche Zwecke preis.

Wie weitgehend könnte sich aber dieser Egoismus als wohlverstandenes, kommunikativer Vernunft verpflichtetes Interesse der Menschengattung, selbst beschränken? In Bezug auf das Beispiel des Schutzes von Tier- und Pflanzenarten würde in einem praktischen Diskurs wohl zu bedenken sein, daß jede hier getroffene Entscheidung irreversible Folgen haben muß.138 Deshalb gilt es zunächst, alle indirekten Risiken unter Berücksichtigung der Unvollkommenheit aller Folgenabschätzung in der angemessenen Weise abzuwägen. Zweitens folgt daraus, daß die Ausrottung einer Tier- oder Pflanzenart durch übermäßige `Nutzung´ (Beispiel Walfischfang) ebenfalls leicht als unmoralisch zu qualifizieren wäre: Denn sie widerspricht offensichtlich dem Prinzip der Gerechtigkeit gegen künftige Generationen.

Wie verhält es sich aber, wenn gar kein gegenwärtiges `Interesse´ an der Nutzung der entsprechenden Art seitens eines Mitglieds der Kommunikationsgemeinschaft besteht und gleichwohl ihre Ausrottung als Nebenfolge anderer menschlicher Handlungen zu gewärtigen ist? Möglicherweise können auch hier Argumente gefunden werden, die eine solche Ausrottung zunächst einmal in den Verdacht der Unmoralität bringen könnten, ohne daß dabei auf das Prinzip `Wohlwollen´ als Grundprinzip einer Ethik rekurriert werden müßte. So kann aus gegenwärtig nicht vorhandenem Interesse keineswegs darauf geschlossen werden, daß auch in Zukunft kein Interesse am Bestehen einer bestimmten Tier- oder Pflanzenart entstehen könnte; ein Beispiel für die praktische Bedeutsamkeit solcher Erwägungen ist die Spekulation auf eine Unzahl noch unentdeckter Heilpflanzen im Gebiet der tropischen Regenwälder. Die Vorläufigkeit aller Einschätzungen kann auch hier ein gewichtiges Argument für einen fürsorglichen Umgang mit der Fülle der Natur sein, die dem Menschen ausgeliefert ist. Weiter ist zu berücksichtigen, daß die `Interessen´, von denen in der Diskursethik die Rede ist, nicht bloß als handgreiflich-materielle beziehungsweise ökonomische Nutzinteressen verstanden werden dürfen. Schon Kant unterscheidet in der `Grundlegung zur Metaphysik der Sitten´ einen "Marktpreis" und einen "Affektationspreis"139, welch letzterer sich auf das paradoxe `Interesse´ am ästhetischen Genuß bezieht.140 Die kommunikative Rationalität schließt erst recht keine Form von Rationalität aus; ihre `Utopie´ ist die zwanglose Vermittlung der verschiedenen Rationalitätstypen. Damit ist klar, daß die Beurteilung eines Eingriffs in die außermenschliche Natur jedenfalls auch Argumente zu berücksichtigen haben wird, die dessen Rückwirkungen auf den kulturellen Zustand der Gesellschaft, ihr kulturelles Selbstverständnis, zum Gegenstand haben.

Eine große Vielfalt möglicher Ansprüche ist hier denkbar, die vollständig zu typisieren oder gar aufzuzählen nicht nur unmöglich, sondern widersinnig wäre, denn das Entscheidende liegt gerade darin, daß jede Präjudikation derartiger Argumente zu vermeiden ist. Daher nur Weniges zur Illustration: Man kann argumentieren, daß die kulturelle Tradition durch stark verändernde Eingriffe in die außermenschliche Natur entwertet werden könnte. Es bedeutet eine Einschränkung der Entfaltungsmöglichkeiten, wenn nicht nur kulturell tradiertes durch Anderes abgelöst, sondern (was etwas ganz anderes ist), das "Bezugssystem"141 einer ganzen Traditionslinie destruiert wird, so daß man von dieser Tradition nicht einmal mehr negativ sich absetzen kann. Man kann weiterhin auf die Berücksichtigung des `Affektationspreises´ der Natur drängen, ihres Wertes als (unersetzbare?) Möglichkeit `guten Lebens´142. Allerdings ist das keine harmlose Forderung. Die Einschätzung der Bedeutsamkeit einer Naturästhetik für eine Ethik der Natur muß deshalb Probleme bereiten, weil die ästhetische Naturerfahrung Residuum dessen sein kann (und, wie sich in künstlerischen Zeugnissen belegen läßt, stets gewesen ist), was als `metaphysisches Naturverständnis´ bezeichnet werden kann. Die Anerkennung der ethischen Relevanz ästhetischer Naturerfahrung verleiht der Auseinandersetzung zwischen naturwissenschaftlichem und ästhetischem Naturverständnis zusätzliche Brisanz. Keine Lösung ist es, bestimmte (ästhetische) Naturerfahrungen einfach zu ignorieren.143 Unleugbar besteht ein Zusammenhang zwischen Formen eines ästhetisch-sympathetischen Naturerlebens und Intuitionen, die in Richtung einer `Wohlwollens-´ Ethik gehen. Problematisch wird es (aus Sicht der Diskursethik) aber doch wohl erst in dem Moment, wo die Intuitionen einer als unmittelbar werthaft empfundenen Subjektivität in der Natur ein prinzipiell unverhandelbares Dogma dessen begründen sollen, was zu tun oder zu lassen sei: "Ein direktes, sympathetisch verstehendes Naturverhältnis kann [..] ethische Motive und Intuitionen erschließen; für deren Zumutungen müßte aber in praktischen Diskursen argumentiert werden können."144

Es scheint, daß im Rahmen praktischer Diskurse durchaus für die Zumutung argumentiert werden kann, bei jedem ernsten Eingriff in die Natur zunächst von einem `Wertverdacht´ zugunsten des betroffenen Naturbereichs auszugehen, der dann im einzelnen expliziert oder als unbegründet zurückgewiesen werden müßte. Diese Aussage kann freilich nur als ein Vorschlag für eine Verfahrensregel praktischer Diskurse angesehen werden, der selbst konsensuell legitimiert werden müßte. Das besagt aber natürlich nicht, daß das `Prinzip Wohlwollen´ in der Diskursethik `aufgehoben´ wäre. Es mag auch sein, daß z. B. im Bereich der Tierethik die Evidenz diskursethisch `abgesicherter´ Brückenprinzipien gering ist. Ein strikter Beweis, daß die Diskursethik unzureichend und durch andere Prinzipien zu erweitern sei, kann aber prinzipiell nicht geführt werden. Denn, und diese Ansicht vertritt auch Kuhlmann, ein solcher Beweis kann nur auf dem Boden der Diskursethik stattfinden - und damit wäre die `Ergänzung´ bereits geleistet.





Zum AnfangAnmerkungen

1 O. Höffe, Moral als Preis der Moderne, Frankfurt a. M. 1993, S. 20.

2 Vgl. v. a. O. Höffe, Moral..., S. 20 f.; H. Lenk, Über Verantwortungsbegriffe und das Verantwortungsproblem in der Technik, in: H. Lenk/G. Ropohl, Technik und Ethik, Stuttgart 1987, S. 112 ff.; H. Lenk, Zwischen Wissenschaft und Ethik, Stuttgart 1992, S. 54 ff., 76 ff.; H. Lenk/M. Maring, Verantwortung - Normatives Interpretationskonstrukt und empirische Beschreibung, in: L. Eckensberger/U. Gähde, Ethische Norm und empirische Hypothese, Frankfurt a. M. 1993, S. 222 ff; G. Ropohl, Das Risiko im Prinzip Verantwortung, in: Ethik und Sozialwissenschaften (angekündigt für 1994).

3 J. Holl, Verantwortung zwischen sozialer Ordnung und individualer Freiheit, in: E.-J. Lampe (Hrsg.), Verantwortlichkeit und Recht, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. XIV, Opladen 1989, S. 38 ff., hier: S. 38.

4 M. J. Zimmerman, Responsibility, in: L. C. Becker/C. B. Becker (Ed.), Encyclopedia of Ethics (vol. II), New York/London 1992, S. 1089 ff., hier: S. 1089 (Übersetzung M. W.).

5 Auf die vieldiskutierte Frage, ob und inwiefern außer Personen auch Institutionen Subjekte derartiger Verantwortung sein können, kann ich hier nicht eingehen.

6 Vgl. H. Lenk/M. Maring, Verantwortung..., a. a. O. (Fn. 2).

7 G. Ropohl, Das Risiko..., a. a. O. (Fn. 2), S. 5.

8 Vgl. J. M. Bochenski, Über einige strukturelle Probleme der Verantwortung, in: ders., Über den Sinn des Lebens und die Philosophie, Aufsätze, ausgewählt, eingeleitet und herausgegeben von D. Gabler, Freiburg 1987, S. 142 ff.

9 W. Ch. Zimmerli, Wandelt sich die Verantwortung mit dem technischen Wandel? in: H. Lenk/G. Ropohl, Technik..., a. a. O. (Fn. 2), S. 92 ff., hier: S. 102.

10 O. Höffe, Moral..., a. a. O. (Fn. 1), S. 23.

11 H. Lenk, Zwischen Wissenschaft..., a. a. O. (Fn. 2), S. 26.

12 Vgl. G. Ropohl, Das Risiko..., a. a. O. (Fn. 2).

13 Der Sinn dieser Kategorie ist mir nicht ganz klar geworden; Ropohl nennt als Möglichkeiten eine `aktive´, `virtuelle´ und `passive´ Verantwortungsmodalität.

14 Diese Kritik richtet sich insbesondere gegen Lenk, dessen Aufzählung (von Handlungsergebnis- bzw. Kausalhandlungs-; Rollen- bzw. Aufgaben-; [universal]moralischer; rechtlicher; sowie jüngst noch reflexiver Metaverantwortung) weder vollständig ist, noch irgendeine Art von Systematik erkennen läßt.

15 Zimmermans Unterscheidung von `retrospektiver´ und `prospektiver´ Verantwortung (vgl. M. J. Zimmerman, Responsibility, a. a. O. (Fn. 4), S. 1089) deckt sich weitgehend mit Höffes Begriffspaar `Aufgabenverantwortung´ vs. `Legitimations-´, bzw. `Rechtfertigungsverantwortung´ (vgl. O. Höffe, Schulden die Menschen einander Verantwortung? in: E.-J. Lampe, Verantwortlichkeit..., a. a. O. (Fn. 3), S. 15; O. Höffe, Moral..., a. a. O. (Fn. 1), S. 20). Ropohl fügt noch die gegenwartsbezogene `aktuelle´ Verantwortung hinzu; vgl. Ropohl, Das Risiko..., a. a. O. (Fn. 2).

16 M. Sänger, Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Verantwortung, Arbeitstexte für den Unterricht, Stuttgart 1991, S. 5 ff., hier: S. 6.

17 Und zwar ist einesteils "in jeder [retrospektiven] Rechenschaftsverantwortung begrifflich eine [prospektive] Aufgabenverantwortung vorausgesetzt" (O. Höffe, Schulden..., a. a. O. (Fn. 15), S. 16). Zum anderen läßt sich der Sinn der prospektiven Verantwortung nicht erklären, ohne ein Verständnis der retrospektiven Verantwortung vorauszusetzen, ohne ein Verständnis dessen, was es heißt, sich zu rechtfertigen; vgl. ebd., S. 15.

18 Vgl. H. Lenk, Zur Sozialphilosophie der Technik, Frankfurt a. M. 1982, S. 222 f.

19 H. Lenk, Zur Sozialphilosophie..., S. 223 f.; weitgehend wortgleich: H. Lenk, Über Verantwortungsbegriffe..., a. a. O. (Fn. 2), S. 70.

20 H. Lenk, Über Verantwortungsbegriffe..., a. a. O. (Fn. 2), S. 116.

21 Vgl. F. Annerl, Die zunehmend verantwortungslose Rede von der Verantwortung, in: W. Leinefellner/F. M. Wuketits (Hrsg.), Die Aufgaben der Philosophie in der Gegenwart, Akten des zehnten Internationalen Wittgenstein-Symposiums, Kirchberg am Wechsel (Österreich), Schriftenreihe der Wittgenstein-Gesellschaft Bd. XII,1, Wien 1986, S. 272 ff.; G. Nunner-Winkler, Kollektive, individuelle und solidarische (fürsorgliche) Verantwortung, in: E.-J. Lampe, Verantwortlichkeit..., a. a. O. (Fn. 3), S. 181.

22 Das gilt bedauerlicherweise auch für die sonst verdienstvolle Arbeit von Maritta Strasser. Diese versucht, den transzendentalpragmatischen Ansatz einer Diskursethik als Verantwortungsethik im Sinne K.-O. Apels und D. Böhlers als theoretischen Rahmen für eine Integration von vier fundamentalen Verantwortungsbegriffen (Legitimation, Fürsorge/Zukunftssorge, institutionelle Ergebniskontrolle, Erfolg unter nicht moralanalogen Bedingungen) zu nutzen; vgl. M. Strasser, Verantwortung in den Naturwissenschaften unter besonderer Berücksichtigung der Risikoproblematik, Magisterschrift am Fachbereich für praktische Philosophie der Freien Universität, Berlin 1993.

23 Vgl. P. Erbrich, Zukunft und Verantwortung, in: Stimmen der Zeit 40/1983, S. 664 ff., hier: S. 666.

24 M. Weber, Politik als Beruf, in: ders., Gesammelte politische Schriften, herausgegeben von J. Winckelmann, fünfte Auflage, Tübingen 1988, S. 505 ff., hier: S. 551.

25 Das Problem, inwieweit Verantwortung auch dort besteht, wo schwächere Grade der Prognostizierbarkeit bis hin zum bloß `spekulativen Risiko´ bestehen, wird von Weber noch ausgespart.

26 M. Weber, Politik..., S. 552.

27 M. Weber, Politik..., S. 558.

28 Daß Weber in dem klassischen Referenztext `Politik als Beruf´ die spezifische Rollenverantwortung einer politischen Führungsperson im Auge hat, weswegen seine Ausführungen sich in erster Linie am Paradigma einer Erfolgsverantwortungsethik orientieren, welche sich mit der Rechtfertigung strategischen Handelns unter nicht moralanalogen Bedingungen befaßt (vgl. D. Böhler, Das Dilemma von moralischer Zukunftsverantwortung und pragmatisch-politischer Erfolgsverantwortung, in: D. Böhler/R. Neuberth (Hrsg.), Herausforderung Zukunftsverantwortung, Hans Jonas zu Ehren, Münster und Hamburg 1992, S. 57 ff.), macht es nicht unmöglich, auf die zunächst davon unabhängige allgemeine Webersche Definition von Verantwortungsethik zu rekurrieren.

29 H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung, Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt a. M. 1979, S. 13.

30 G. Anders, Die atomare Drohung, Radikale Überlegungen, vierte, durch ein Vorwort erweiterte Auflage von `Endzeit und Zeitenende´, München 1983, S. 35.

31 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 41.

32 G. Anders, Die atomare..., a. a. O. (Fn. 30), S. 34.

33 Vgl. hierzu D. Böhler, in diesem Band.

34 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 172.

35 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 174.

36 Vgl. H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 174.

37 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 175.

38 Vgl. M. Rath, Intuition und Modell - Hans Jonas und die Ethik des wissenschaftlichen Zeitalters, Frankfurt a. M. u. a. 1988, S. 83 ff., 103 ff.

39 Im `Prinzip Verantwortung´ wird das noch nicht explizit dargestellt; gesehen hat es außer Rath auch schon W. E. Müller, Der Begriff der Verantwortung bei Hans Jonas, Frankfurt a. M. 1988, S. 65, 88, 132.

40 H. Jonas, Philosophische Untersuchungen und metaphysische Vermutungen, Frankfurt a. M. 1992, S. 131.

41 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 177; vgl. S. 77.

42 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 184.

43 Vgl. H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 234 ff.

44 Vgl. H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 26.

45 So H. Jonas im Gespräch mit E. Gebhardt (in diesem Band); vgl. die Interpretation von W. Kuhlmann (in diesem Band); P. Erbrich, Zukunft..., a. a. O. (Fn. 23), S. 675: "Minimumethik"; R.-P. Koschut, Strukturen der Verantwortung, Eine kritische Auseinandersetzung mit Theorien über den Begriff der Verantwortung unter besonderer Berücksichtigung des Spannungsfeldes zwischen der ethisch-personalen und der kollektiv-sozialen Dimension menschlichen Handelns, Frankfurt a. M. 1989, S. 381: "Grenzmoral".

46 M. Kettner, Verantwortung als Moralprinzip, Eine kritische Betrachtung der Verantwortungsethik von Hans Jonas, in: Bijdragen, tijdschrift voor filosofie en theologie 51/1990, S. 418 ff., hier: 419.

47 R.-P. Koschut, Strukturen..., a. a. O. (Fn. 45), S. 385.

48 Birnbacher würdigt Jonas' "ausgeprägten common sense" (D. Birnbacher, Besprechung von Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 37/1983, S. 144 ff., hier: S. 146); vgl. Koschut, Strukturen..., a. a. O. (Fn. 45), S. 268.

49 Vgl. M. Rath, Intuition..., a. a. O. (Fn. 38); V. Hösle, Die Krise der Gegenwart und die Verantwortung der Philosophie, München 1990; ders., Philosophie der ökologischen Krise, München 1991.

50 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 175 (Hervorhebung M. W.).

51 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 184.

52 "Kein Einverständnis zu ihrem Nichtsein oder Entmenschtsein ist von der zukünftigen Menschheit erhältlich noch auch supponierbar" (H. Jonas, Das Prinzip..., S. 89; Hervorhebung M. W.); vgl. zustimmend K.-O. Apel, Diskurs und Verantwortung, Das Problem des Übergangs zur postkonventionellen Moral, Frankfurt a. M. 1990, S. 194 f., 203; W. Kuhlmann, in diesem Band.

53 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 235, 236.

54 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 235.

55 Vgl. H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 234 ff.

56 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 8, vgl. 63; Dieser Gedanke ist freilich seit Sokrates "so neu nicht" (M. Rath, Intuition..., a. a. O. (Fn. 38), S. 89).

57 Vgl. H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 63; vgl. ders., Philosophische Untersuchungen..., a. a. O. (Fn. 40), S. 140: "Mischung aus Furcht und Schuld".

58 Bereits Max Scheleres intuitionistische Wertethik konnte diesem Problem nicht gerecht werden, vgl. seine unhaltbaren, thomistisch inspirierten Verteidigungsversuche gegen W. Wundts Relativismus-Einwand: M. Scheler, Der Formalismus in der Ethik und die Materiale Wertethik, Neuer Versuch der Grundlegung eines ethischen Personalismus, dritte unveränderte Auflage, Halle a. d. S. 1927, S. 320 ff.

59 Auf gut deutsch, 2/1929, Heft 9/10; Quelle: G. Mosse, Die Geschichte des Rassismus in Europa, Frankfurt a. M. 1990, S. 164; Mosse bezeichnet den Rassismus als eine "visuelle Ideologie" (ebd., S. 9).

60 Vgl. H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 65.

61 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 166.

62 Nunner-Winkler konstatiert eine "moralische Überforderung" (G. Nunner-Winkler, Kollektive..., a. a. O. (Fn. 21), S. 172) durch Jonas' Postulate; den gleichen Terminus verwendet bereits Arnold Gehlen, nicht ohne kritische Spitze gegen jede `Fernethik´ schlechthin; vgl. A. Gehlen, Anthropologische und sozialpsychologische Untersuchungen, Reinbek bei Hamburg 1986, S. 137. Anders, dessen Forderung nach "Ausbildung der moralischen Phantasie" (G. Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. I, Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution, siebte Auflage, München 1987, S. 273) von den Imperativen des Jonasschen Intuitionismus kaum zu unterscheiden ist, hat Jonas hier einiges an Problembewußtsein voraus, allerdings ebenfalls keine letztlich überzeugende Lösung anzubieten.

63 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 64.

64 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 65.

65 Vgl. M. Strasser, Verantwortung..., a. a. O. (Fn. 22), S. 18 ff. Um eine differenziertere intuitionistische Ethikkonzeption im Anschluß an Jonas bemüht sich M. Rath, Intuition..., a. a. O. (Fn. 38); Kuhlmann knüpft an Jonas' Intuitionismus an, wenn er vorschlägt, die Diskursethik durch ein `Prinzip Wohlwollen´ zu ergänzen (s. u.).

66 H. Jonas, Organismus und Freiheit, Ansätze zu einer philosophischen Biologie, Göttingen 1973, S. 340.

67 Vgl. H. Jonas, Organismus..., S. 341: "Die Scheidung des »objektiven« und des »subjektiven« Reiches [...] ist das moderne Schicksal. Ihre Wiedervereinigung kann [...] nur von der »objektiven« Seite her bewerkstelligt werden; [...] durch eine Revision der Idee der Natur. [...] Aus der inneren Richtung ihrer totalen Evolution läßt sich vielleicht eine Bestimmung des Menschen ermitteln, gemäß der die Person im Akte der Selbsterfüllung zugleich ein Anliegen der ursprünglichen Substanz verwirklichen würde. Von daher würde sich ein Prinzip der Ethik ergeben, das letztlich weder in der Autonomie des Selbst noch in den Bedürfnissen der Gesellschaft begründet wäre, sondern in einer objektiven Zuteilung seitens der Natur des Ganzen (was die Theologie als ordo creationis zu bezeichnen pflegte) - von solcher Art, daß noch der Letzte einer sterbenden Menschheit ihr in seiner letzten Einsamkeit die Treue halten könnte." Analoge Ziele formuliert V. Hösle, Die Krise..., a. a. O. (Fn. 49), S. 205 ff.; ders., Philosophie..., a. a. O. (Fn. 49), S. 69 ff. Als Vertreter eines absoluten Idealismus glaubt er allerdings, um die Entscheidung zwischen der `objektiven´ und der `subjektiven´ Seite herumzukommen, indem er beide in einer geistig-werthaften Struktur grundgelegt sieht; vgl. V. Hösle, Die Krise..., S. 226; ders., Philosophie..., S. 71.

68 Vgl. H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 130 ff.

69 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 154.

70 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 175.

71 Vgl. D. Birnbacher, Besprechung..., a. a. O. (Fn. 48); D. Böhler, in diesem Band; A. Gethmann-Siefert, Ethos und metaphysisches Erbe, Zu den Grundlagen von Hans Jonas' Ethik der Verantwortung, in: H. Schnädelbach/G. Keil (Hrsg.), Philosophie der Gegenwart - Gegenwart der Philosophie, Hamburg 1993, S. 171 ff., insbes. 176 ff.; H. Hastedt, Aufklärung und Technik, Grundprobleme einer Ethik der Technik, Frankfurt a. M. 1991, u. a. S. 167 ff.; M. Kettner, Verantwortung..., a. a. O. (Fn. 46); R.-P. Koschut, Strukturen..., a. a. O. (Fn. 45), S. 24 ff., 334 ff., v. a. 337 ff.; W. Kuhlmann, in diesem Band; H. Lenk, Über Verantwortungsbegriffe..., a. a. O. (Fn. 2), S. 139; W. E. Müller, Der Begriff..., a. a. O. (Fn. 39), v. a. S. 67 ff.; W. Oelmüller, Hans Jonas: Mythos - Gnosis - Prinzip Verantwortung, in: Stimmen der Zeit 206/1988, S. 343 ff.; M. Rath, Intuition..., a. a. O. (Fn. 38); L. Schäfer, Selbstbestimmung und Naturverhältnis des Menschen, in: Information Philosophie 5/1986, S. 4 ff.; ders., Das Bacon-Projekt, Von der Erkenntnis, Nutzung und Schonung der Natur, Frankfurt a. M. 1993, v. a. 152 ff.; J.-C. Wolf, Hans Jonas: Eine naturphilosophische Begründung der Ethik, in: A. Hügli/P. Lübcke (Hrsg.), Philosophie im 20. Jahrhundert. Band I: Phänomenologie, Hermeneutik, Existenzphilosophie und Kritische Theorie. Reinbek bei Hamburg 1992, S. 215 ff.

72 H. Jonas, Philosophische Untersuchungen..., a. a. O. (Fn. 40), S. 140.

73 H. Jonas im Gespräch mit M. Damaschke, H. Gronke und C. Schulte, in diesem Band.

74 Jonas stimmt insofern Birnbacher zu, der in seiner Rezension des `Prinzips Verantwortung´ behauptet: "Jonas kommt [...] bei der Erörterung seiner grundlegenden Wertprämisse [...] nicht umhin, bei aller Versicherung `evidentieller Intuition´ die Entscheidung für dieses und gegen andere mögliche Kriterien als eine `metaphysische Wahl´, und das heißt doch wohl: als eine subjektive, letztlich nicht mehr zu begründende Wahl, zu qualifizieren" (D. Birnbacher, Besprechung..., a. a. O. (Fn. 48), S. 146). Daraus geht auch hervor, daß und wie die intuitionistische und die naturphilosophisch-metaphysische Begründungsstrategie sich gegenseitig stützen. Die `paradigmatisch´ am hilfsbedürftigen Säugling intuitiv wahrgenommene Koinzidenz von Sein und Wert soll der metaphysischen Prämisse Plausibilität verleihen.

75 H. Jonas, Gnosis, Existenzialismus und Nihilismus, in: ders., Zwischen Nichts und Ewigkeit, Drei Aufsätze zur Lehre vom Menschen, Göttingen 1963, S. 5 ff, hier: S. 23.

76 H. Jonas, Philosophische Untersuchungen..., a. a. O. (Fn. 40), S. 137, vgl. S. 128 ff.

77 Tatsächlich ist eine Abkehr vom geltungslogischen Anthropozentrismus wohl unmöglich; dazu D. Böhler, in diesem Band.

78 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 36.

79 Vgl. H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 91 ff.

80 Merkwürdig, daß Jonas "Gerechtigkeit" unter "die alten Vorschriften der »Nächsten-« Ethik" (H. Jonas, Das Prinzip..., S. 26) zählt - als ob sie im Bereich der `Fern-´ oder `Zukunftsethik´ irrelevant wäre.

81 K.-O. Apel, Diskurs..., a. a. O. (Fn. 52), S. 184.

82 Vgl. K.-O. Apel, Diskurs..., a. a. O. (Fn. 52), S. 185 ff.

83 K.-O. Apel, Diskurs..., a. a. O. (Fn. 52), S. 185.

84 G. Büchner, Werke und Briefe, München und Wien 1980, S. 10.

85 Darin dürfte auch einer der Gründe dafür liegen, daß sich Vertreterinnen und Vertreter eines technokratischen `Verantwortungs-Management´ in Wirtschaft und Politik ebenso auf Jonas berufen zu dürfen meinen, wie fundamentalistische Kritikerinnen und Kritiker des Industrialismus.

86 H. Sahl in einem Gespräch mit F. J. Raddatz, in: DIE ZEIT 10/1991, S. 63 f., hier: S. 63.

87 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 254.

88 Vgl. H. Jonas, Technik, Medizin und Ethik, Zur Praxis des Prinzips Verantwortung, Frankfurt a. M. 1985, S. 269 ff.

89 H. Hastedt, Aufklärung..., a. a. O. (Fn. 71), S. 276 ff.; M. Kettner, Verantwortung..., a. a. O. (Fn. 46), S. 422 ff., 438, Anm. 4; R.-P. Koschut, Strukturen..., a. a. O. (Fn. 45), S. 374 ff.; J. C. McCarthy: Rezension von Hans Jonas: The Imperative of Responsibility, in: The Review of metaphysics 39/1985, S. 362 ff.; W. E. Müller, Der Begriff..., a. a. O. (Fn. 39), S. 133 ff.; H.-M Schönherr, Von der Herrschaft des Menschen zum Eigenrecht der Natur, in: Universitas 41/1986, S. 687 ff., hier: 691.

90 M. Kettner, Verantwortung..., a. a. O. (Fn. 46), S. 422 f.

91 M. Kettner, Verantwortung..., a. a. O. (Fn. 46), S. 423; Tatsächlich lassen sich Jonas' "wahrscheinlich chimärische[n] und sicher unpopuläre[n] Ideen" (H. Jonas, Das Prinzip..., S. 57) politischer Praxis als eine Orientierung am "Leitbild" (ebd., S. 308) einer `Philosophenherrschaft´ interpretieren. Jonas meint, Platons "utopische Lösung" bleibe "als Regulativ [...] bestehen" (H. Jonas, Technik..., a. a. O. (Fn. 88), S. 295 f.).

92 H. Jonas im Gespräch mit E. Gebhardt, in diesem Band.

93 Jonas im Gespräch mit M. Damaschke, H. Gronke und C. Schulte, in diesem Band.

94 M. Kettner, Verantwortung..., a. a. O. (Fn. 46), S. 423.

95 R.-P. Koschut, Strukturen..., a. a. O. (Fn. 45), S. 377.

96 Vgl. R.-P. Koschut, Strukturen..., a. a. O. (Fn. 45), S. 278 f.; P. Erbrich, Zukunft..., a. a. O. (Fn. 23), S. 676; Jonas' Stellungnahme in seinem Gespräch mit E. Gebhardt, in diesem Band.

97 Vgl. R.-P. Koschut, Strukturen..., a. a. O. (Fn. 45), S. 374.

98 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 178.

99 Sondern etwa gar gemäß `objektiver Zuteilung seitens der Natur´? - vgl. Fn. 67.

100 Die Vermutung, daß der Dualität der Begründungsstrategien die Ambivalenz der politischen Optionen korrespondiert, erhärtet sich, wenn man die beiden paradigmatischen Jonas-Adaptionen betrachtet. So läßt sich bei Hösle verschiedentlich eine gewisse (vornehme?) Distanz zu den Prinzipien der Demokratie nachweisen. Siehe hierzu sein Plädoyer zum Schutz der Institutionen vor kritischer Überprüfung (V. Hösle, Die Krise..., a. a. O. (Fn. 49), S. 263; vgl. aber dagegen u. v. a.: D. Böhler, Rekonstruktive Pragmatik, Von der Bewußtseinsphilosophie zur Kommunkationsreflexion: Neubegründung der praktischen Wissenschaften, Frankfurt a. M. 1985, S. 328 ff.) und seine aus einem Mißverständnis der verantwortungsethisch explizierten Diskursethik resultierende Angst vor dem `unbeschränkten Diskurs´ (V. Hösle, Die Krise..., S. 253). Noch aufschlußreicher sein instrumentales, den intrinsischen Wert politischer Freiheit und prozeduraler Gerechtigkeit vernachlässigendes Demokratieverständnis; vgl. V. Hösle, Philosophie..., S. 132, 144. Rath will hingegen die Gewissensautonomie der moralischen Subjekte mit einer intuitionistischen Konzeption verbinden. Seine Überlegungen kreisen um das Problem der Legitimierbarkeit des Unterlassens von Forschungstätigkeit. Der Individualismus bietet hier kaum Anschlußstellen für Konzepte einer Institutionalisierung kollektiver Verantwortung; vgl. M. Rath, Intuition..., a. a. O. (Fn. 38).

101 Vgl. K. Löwith, Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen, Zweiter, unveränderter Nachdruck, Darmstadt 1969, S. 112 ff.; vgl. D. Böhler, Rekonstruktive Pragmatik..., a. a. O. (Fn. 100), S. 328 ff.; M. Strasser, Verantwortung..., a. a. O. (Fn. 22), S. 11 f.

102 "Vor sich selbst", sagt Löwith, kann man "nur quasi-verantwortlich sein, denn die Verantwortung beruht wie das Reden gerade darauf, daß man sich selbst einem anderen zur Rede stellt." K. Löwith, Das Individuum..., a. a. O. (Fn. 101), S. 113.

103 Vgl. J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 2 Bde, Frankfurt a. M. 1981.

104 Vgl. K.-O. Apel, Transformation der Philosophie, Bd. II, Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft, Frankfurt a. M. 1976, S. 427; D. Böhler, Rekonstruktive Pragmatik..., a. a. O. (Fn. 100), S. 59 u. a.

105 Vgl. Koschuts Auseinandersetzung mit Martin Buber; R.-P. Koschut, Strukturen..., a. a. O. (Fn. 45), S. 94 ff.

106 J. Habermas, Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, Frankfurt a. M. 1983, S. 98; vgl. ebd. ff. seine auf Alexy gestützte Aufstellung solcher "Diskursregeln".

107 Vgl. dazu jüngst Horst Gronkes Auseinandersetzung mit Habermas' diskursethischer Konzeption und sein überzeugendes Plädoyer für eine an Apel und Böhler orientierte mehrstufige Begründungsarchitektonik: H. Gronke, Apel versus Habermas: Zur Architektonik der Diskursethik, in: A. Dorschel u. a. (Hrsg.), Transzendentalpragmatik, Frankfurt a. M. 1993, S. 273 ff.

108 J. Habermas, Moralbewußtsein..., a. a. O. (Fn. 106), S. 75 f., vgl. 103, 131; ders., Erläuterungen zur Diskursethik, Frankfurt a. M. 1991, S. 32.

109 J. Habermas, Moralbewußtsein..., a. a. O. (Fn. 106), S. 193.

110 K.-O. Apel, Diskurs..., a. a. O. (Fn. 52), S. 127.

111 K.-O. Apel, Diskursethik als Verantwortungsethik. Eine postmetaphysische Transformation der Ethik Kants, in: R. Fornet-Betancourt, Ethik und Befreiung, Aachen 1990, S. 10 ff., hier: S. 34.

112 K.-O. Apel, Diskurs..., a. a. O. (Fn. 52), S. 142.

113 "Sofern [...] die kollektiven Anwendungsbedingungen für die postkonventionelle Diskursethik noch nicht realisiert sind, insofern sind diejenigen, die auf der philosophischen Diskursebene die Einsicht in die universale Gültigkeit des ethischen Diskursprinzips gewonnen haben, in zweifacher Weise verpflichtet, zugleich dem deontischen Diskursprinzip und in einer geschichtsbezogenen Verantwortung Rechnung zu tragen: 1. Einerseits müssen sie - aus Verantwortung für die ihnen anvertrauten [...] Mitglieder der realen Kommunikationsgemeinschaft - die Bereitschaft zur diskursiv-konsensualen Lösung von Interessenkonflikten nach Maßgabe der Situationseinschätzung mit der Bereitschaft zum strategischen Handeln vermitteln [...] - derart, daß die Maxime ihres Handelns, wenn nicht schon in einem realen, so doch in einem fiktiven idealen Diskurs aller gutwilligen Betroffenen als konsensfähige Norm angesehen werden könnte. [...] 2. Mit der Einsicht [...] in die Differenz zwischen der geschichtlichen Situation der realen Kommunikationsgemeinschaft und der immer schon kontrafaktisch antizipierten idealen Situation, in der die Anwendungsbedingungen der Diskursethik gegeben wären, - mit dieser auf der philosophischen Diskursebene unvermeidlichen Einsicht hat man m. E. auch zugleich anerkannt, daß man zur Mitarbeit an der langfristigen, approximativen Beseitigung der Differenz verpflichtet ist." K.-O. Apel, Diskursethik..., a. a. O. (Fn. 111), S. 34 f.

114 J. Habermas, Erläuterungen..., a. a. O. (Fn. 108), S. 198.

115 J. Habermas, Erläuterungen..., S. 199.

116 J. Habermas, Erläuterungen..., S. 198.

117 Vgl. J. Habermas, Erläuterungen..., S. 198 ff., ders, Faktizität und Geltung, Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt a. M. 1992, S. 148.

118 J. Habermas, Erläuterungen..., a. a. O. (Fn. 108), S. 199.

119 Vgl. D. Böhler, Diskursethik und Menschenwürdegrundsatz zwischen Idealisierung und Erfolgsverantwortung, in: K.-O. Apel/M. Kettner (Hrsg.), Zur Anwendung der Diskursethik in Politik, Recht und Wissenschaft, Frankfurt a. M. 1992, S. 201 ff.

120 D. Böhler, Diskursethik und Menschenwürdegrundsatz..., S. 218.

121 Vgl. D. Böhler, Diskursethik und Menschenwürdegrundsatz...

122 Vgl. J. Habermas, Erläuterungen..., a. a. O. (Fn. 108), S. 196.

123 J. Habermas, Erläuterungen..., S. 159. Trotz solcher Einsichten muß Habermas die realen Anwendungsbedingungen der Diskursethik idealisierend verklären, um seiner ethischen Konzeption Relevanz zu sichern, weil darin die Pflicht, die Zumutbarkeitsbedingungen für `U´ allererst herzustellen, nicht begründet wird. Vgl. etwa seine Äußerungen zur `Weltinnenpolitik´, ebd., S. 197.

124 J. Habermas, Erläuterungen..., a. a. O. (Fn. 108), S. 166.

125 Wie Habermas anzunehmen scheint; vgl. J. Habermas, Erläuterungen..., u. a. S. 197.

126 Vgl. hierzu schon L. Sterne, Tristram Shandy, Zürich 1989, Bd. VII, S. 77 ff.

127 Vgl. H. Lenk, Zwischen Wissenschaft..., a. a. O. (Fn. 2)

128 W. Kuhlmann, in diesem Band.

129 K.-O. Apel, Diskurs..., a. a. O. (Fn. 52), S. 212.

130 W. Kuhlmann, in diesem Band. Apel stellt dagegen fest, daß ihn "Hans Jonas' These vom Fortfall der Gegenseitigkeit (der `Reziprozität´) der Pflichten in einer Ethik der Zukunftsverantwortung (S. 84 ff. u. S. 117) nicht überzeugt hat." (K.-O. Apel, Diskurs..., S. 196; Seitenangaben bezogen auf H. Jonas, Das Prinzip...). Vgl. zum folgenden auch K. Ott, Ökologie und Ethik, Ein Versuch praktischer Philosophie, Tübingen 1993, S. 103 ff., 114 ff.

131 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 175.

132 V. Hösle, Philosophie..., a. a. O. (Fn. 49), S. 72.

133 I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in: Werke, Akademie Textausgabe, Unveränderter photomechanischer Abdruck des Textes der von der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1902 begonnenen Ausgabe von Kants gesammelten Schriften, Berlin 1968, Bd. IV, S. 387 ff., hier: S. 435.

134 I. Kant, Grundlegung..., S. 427.

135 I. Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, in: Werke, Bd. VII, S.117 ff., hier: 127.

136 R. Spaemann, Technische Eingriffe in die Natur als Problem der politischen Ethik, in: D. Birnbacher, Ökologie und Ethik, Stuttgart 1980, S. 180 ff., hier: S. 197.

137 H. Jonas, Das Prinzip..., a. a. O. (Fn. 29), S. 246.

138 Es ist allerdings zuzugestehen, daß der Begriff `irreversibel´ geklärt werden müßte. Man könnte nämlich, etwa unter Berufung auf das Entropiegesetz, behaupten, daß jede Handlung Folgen habe, die sich nicht mehr rückgängig machen ließen. Hier kann nur der Vermutung Ausdruck gegeben werden, daß sich der Begriff `irreversibel´ für die ethische Theorie, bzw. für das jeweilige Anwendungsproblem, hinreichend klar bestimmen läßt.

139 I. Kant, Grundlegung..., a. a. O. (Fn. 133), S. 434: "Was sich auf die allgemein menschlichen Neigungen und Bedürfnisse bezieht, hat einen Marktpreis; das was, auch ohne ein Bedürfnis vorauszusetzen, einem gewissen Geschmacke, d. i. einem Wohlgefallen am bloßen zwecklosen Spiel unserer Gemütskräfte gemäß ist, einen Affektationspreis."

140 Paradox ist dieses `Interesse´ allemal dort, wo die ästhetische Kategorie des `Erhabenen´ ins Spiel kommt; besteht dessen Wesen doch (nach Kants Ansicht) darin, daß es die beschränkten menschlichen Interessen - scheinhaft - zur Nichtigkeit depotenziert. Daß das (Natur-) Erhabene selbst Gegenstand eines `Interesses´ werden kann, verweist also auf radikal vom bloß ökonomischen Nutzinteresse verschiedene `Naturbedürfnisse´. Interessanterweise steht Jonas' `Prinzip Verantwortung´ dem Phänomen des Erhabenen fremd gegenüber; Natur kommt hier nur als bedrohte, gar nicht mehr als bedrohliche (auch nicht mehr in der scheinhaften Form als erhaben-bedrohliche) vor.

141 A. Gehlen, Zeit-Bilder, Frankfurt a. M. 1986, S. 16.

142 Vgl. M. Seel, Eine Ästhetik der Natur, Frankfurt a. M., S. 330.

143 Dieser Verführung scheint mitunter Martin Seel zu erliegen; vgl. u. a. M. Seel, Eine Ästhetik..., S. 73 ff. Seine Naturästhetik berücksichtigt in erster Linie Naturwahrnehmungen, bei denen es keine Rolle spielt, ob ihr Gegenstand ein belebter oder unbelebter ist. Dieser Unterschied ist aber auch ästhetisch nicht irrelevant (vgl. Andersens kunstvolle Bearbeitung dieses Problems im Märchen von der mechanischen Nachtigall). Ihn zu verleugnen hieße, die Trennlinie zwischen Tierethik und ethisch relevanter Naturästhetik falsch und gewaltsam ziehen. Der Konflikt der `zwei Kulturen´ um das `wahre´ Naturverständnis bricht aber andernfalls erst recht auf. So würde Jonas (wie sein Kontrahent Bloch) in der Möglichkeit eines ästhetisch-sympathetischen, (`verstehenden?´) Naturverhältnisses wohl einen Hinweis auf eine zumindest nicht auszuschließende `Subjektivität´ in der Natur sehen wollen.

144 D. Böhler, in diesem Band.



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